Polen reagiert spöttisch auf Mahnung aus Brüssel
Außenminister Waszczykowski wird mit den Worten zitiert: „Werde Text lesen, wenn ich einen Moment freihabe“.
Warschau – Die Ermahnung aus Brüssel zur Einhaltung der rechtsstaatlichen Prinzipien der EU ist in Polen mit demonstrativer Gelassenheit aufgenommen worden. Er werde den Text „in einigen Tagen“, lesen, „wenn ich einen Moment freihabe“, sagte Außenminister Witold Waszczykowski am Donnerstag dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
„Wir behandeln dieses Dokument wie eine Meinung, eine Empfehlung, die uns zu nichts verpflichtet“, fügte er hinzu. Die EU-Kommission hatte am Mittwoch eine offizielle Verwarnung nach Warschau geschickt. Brüssel wirft der rechtskonservativen Regierung von Ministerpräsidentin Beata Szydlo vor, rechtswidrig die Ernennung mehrerer Verfassungsrichter rückgängig gemacht, die Unabhängigkeit des Gerichts eingeschränkt und seine Beschlüsse missachtet zu haben. Ohne Einlenken Warschaus drohen Polen Sanktionen bis hin zum Stimmrechtsentzug im Rat.
Nach dem Brief der Kommission hat Warschau zwei Wochen Zeit für eine Reaktion. Er habe den 20-seitigen Text immerhin schon an Szydlo und an Staatspräsident Andrzej Duda weitergeleitet, sagte Außenminister Waszczykowski in dem Rundfunkinterview. Diese müssen die Beschwerde dann ans Parlament weiterleiten. Sollte Warschau den Ermahnungen aus Brüssel nicht Folge leisten und die kritisierten Mängel der Justizreform nicht korrigieren, könnte die EU Sanktionen gegen Polen verhängen.
Der dreistufige Rechtsstaatsmechanismus war Anfang 2014 eingeführt worden und wird im Falle Polens zum ersten Mal angewendet. Die Kommission alleine könnte aber keine Sanktionen wie den Stimmrechtsentzug verhängen. Dazu müssten die anderen Mitgliedstaaten einstimmig feststellen, dass es in Polen einen „schwerwiegenden und anhaltenden Verstoß“ gegen EU-Grundwerte gibt. Ungarn unter der rechtskonservativen Regierung von Premier Viktor Orban hat schon klar gemacht, dass es Sanktionen gegen Warschau nicht unterstützen würde. (APA/AFP)