Franz Werfel wegen Völkermord-Roman bei Armeniern gut angeschrieben
Wien (APA) - Österreich spielte eine unrühmliche Rolle beim Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs. In Berlin und Wien, b...
Wien (APA) - Österreich spielte eine unrühmliche Rolle beim Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs. In Berlin und Wien, beide Verbündete der osmanischen Regierung, die die Verantwortung für die Mordtaten trug, wusste man über die Massaker Bescheid, schritt aber nicht ein. Mit einem Österreicher verbinden die Armenier im Zusammenhang mit ihren nationalen Trauma aber Positives: Franz Werfel.
Wohl jeder Armenier kennt den österreichischen Schriftsteller (1890-1945). Werfel wurde auf einer Reise in der heutigen syrischen Hauptstadt Damaskus auf das traurige Los der Armenier aufmerksam. Als er hungernde und verwahrloste Flüchtlingswaisen sah, fasste er den Entschluss zum Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“. Das 1933 erschienen Werk trug viel dazu bei, dass der knappe 20 Jahre davor verübte Genozid weltweit nicht in Vergessenheit geriet.
Die Übersetzung des Buches ins Englische machte Werfel weltweit bekannt; unter den Armeniern ist es, übersetzt in ihre Sprache, ein fortlaufender Bestseller. Schon in den 30er-Jahren zollten die armenischen Diaspora-Gemeinschaften dem Autor auf Lesereisen in New York und Paris Dank und Anerkennung.
Der Roman ist Fiktion, basiert aber auf dem Studium historischer - vor allem französischer - Quellen; die Unterlagen des Militärarchivs in der Türkei sind bis heute unter Verschluss: Eine armenische Gemeinschaft an der syrischen Küste will sich mit der drohenden Auslöschung nicht abfinden und zieht sich auf den Musa Dagh, den „Berg Moses‘“ zurück. Er soll als Fluchtburg dienen. Es kommt zur erbitterten Belagerung durch die Osmanen. Als alles verloren scheint, kommt die Rettung durch Schiffe des Weltkriegs-Gegners Frankreich.
Werfels heldenhafte Hauptfigur Gabriel Bagradian kann als Verkörperung des Willens zum Widerstand gelten. Zu einem solchen Widerstand kam es nicht, als Österreich fünf Jahre nach der Machtergreifung Hitlers in Berlin und der Erstveröffentlichung von „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ an Deutschland angeschlossen wurde. Wegen seiner jüdischen Herkunft standen Werfels Werke auf der Nazi-Verbotsliste. Dem KZ entging der Schriftsteller, der den Holocaust schon heraufdämmern sah, als er sein Völkermord-Epos über die Armenier schrieb, indem er sich mit seiner Frau Alma Mahler-Werfel ins Exil rettete. Er starb 1945 in Kalifornien an einem Herzinfarkt.
Die Stiftung „Zentrum gegen Vertreibung“ in Deutschland benannte ihren Menschenrechtspreis nach Franz Werfel, der erstmals 2003 vergeben wurde.
Auch einen Deutschen verehren die Armenier für sein Engagement gegen den Völkermord: Johannes Lepsius. Der evangelische Theologe setzte sich mit einem Hilfswerk bereits für Verfolgte ein, als es Mitte der 1890er Jahre zu Massakern an den Armeniern im Osmanischen Reich gekommen war. Seine Berichte über den Völkermord 1916, als dieser noch im Gang war, wurden von der deutschen Zensur verboten. Erst nach dem Ersten Weltkrieg durfte Lepsius offiziell zur Aufklärung der grausamen Ereignisse, an denen auch einige deutsche Offiziere beteiligt gewesen sein sollen, beitragen. Lepsius hatte sogar versucht, im persönlichen Gespräch auf den osmanischen Kriegsminister Enver Pascha einzuwirken. Am Schicksal der Armenier änderte das aber nichts.