Wiener Festwochen - Hörerlebnis im Dschungel: „The Encounter“

Wien (APA) - Unter zahlreichen Theaterbesuchern im Museumsquartier und doch ganz mutterseelenallein mitten im Dschungel des Amazonas-Gebiets...

Wien (APA) - Unter zahlreichen Theaterbesuchern im Museumsquartier und doch ganz mutterseelenallein mitten im Dschungel des Amazonas-Gebiets? Diese Erfahrung lässt sich seit gestern, Donnerstag, Abend beim Festwochen-Gastspiel „The Encounter“ machen, mit dem Simon McBurney die Zuschauer verblüfft. Die Solo-Show mit Hightech-Unterstützung ist vor allem ein Hörerlebnis.

Mit der Produktion, die vor einem Jahr beim Festival von Edinburgh Premiere hatte, scheint der Regisseur und Gründer der international gefeierten Gruppe Complicite auf Downsizing zu setzen: Nur er selbst, ein Tisch, ein paar Mikros und viele Wasserflaschen. Doch gut verborgen sind erstklassige Tontechnik und zwei Toningenieure. Wozu die gut sind, demonstriert der 58-jährige Brite, sobald das Publikum der Aufforderung nachgekommen ist, die auf jedem Sitz bereitliegenden Kopfhörer aufzusetzen.

Als Theaterbesucher wirklich überrascht zu werden, passiert einem nicht mehr so häufig. Doch Simon McBurney schafft das spielend, indem er die Möglichkeiten des Raumklangs demonstriert, den er mit Kunstkopf-Mikros erzeugen kann. Damit kann er sich buchstäblich um jeden einzelnen Zuschauer herum bewegen und ihm äußerst nahe auf die Pelle rücken. Zusammenzucken und unwillkürliches Umdrehen sind garantiert. Als Höhepunkte der Effekt-Vorführung bittet er um kollektives Augenschließen, lässt ein paar Moskitos herumsurren und haucht einem ins rechte Ohr. Trotz Vorwarnung und der Gewissheit, es hier bloß mit elaborierter Tontechnik zu tun zu haben, stellen sich einem die Nackenhaare auf.

Ein paar technische Tricks später, bei denen auch vorgefertigtes Tonmaterial zum Einsatz kommt und wir Bekanntschaft mit McBurneys 7-jähriger Tochter schließen, die nicht schlafen kann und Daddy in einem wiederholten, gewollten Realitätsbruch immer wieder bei seiner Arbeit stört, sind wir schon mitten in jener Geschichte, die „The Encounter“ als 3D-Sound-Oper in unsere Fantasie pflanzt.

Im Zentrum steht Loren McIntyre, ein Fotograf von „National Geographic“, der sich 1969 von einem Flugzeug mitten im Amazonas-Dschungel absetzen ließ, um Kontakt zu den komplett von der Zivilisation abgeschotteten Mayoruna-Indianern aufzunehmen. Der in den USA lebende rumänische Autor Petru Popescu hat dessen Erlebnisse in den Mittelpunkt seines 1991 erschienenen Romans „Amazon Beaming“ gestellt, den McBurney zur Grundlage genommen hat. Ethnologisches Interesse, fotografischer Ehrgeiz und Abenteuerlust verbinden sich dabei zu einem Trip, bei dem jede Menge Urängste überwunden werden müssen.

Die Stimmung schwankt zwischen Faszination und Horror: Auf der einen Seite die Furcht, einsam mitten in der Wildnis zu sterben, auf der anderen Seite die scheinbare Unmöglichkeit, sich mit den indigenen Stämmen sprachlich zu verständigen und ihre Sitten zu verstehen.

Zwei Stunden dauert die Aufführung, die nach der Halbzeit ein wenig ihre technische Sensation verbraucht hat und in esoterisch unterfütterte Überlegungen über die Zukunft der Menschheit abdriftet. Das Chaos des Dschungels zwischen Natur und Einbruch der Zivilisation in Form von Ausrottung, Abholzung und Erdöl-Suche wird virtuos orchestriert und in Überlänge ausgespielt. Ein kleiner Einwand nur, doch insgesamt ein großes Theatererlebnis.

(S E R V I C E - „The Encounter“ von und Simon McBurney, Inszenierung: Simon McBurney, Koregie: Kirsty Housley, Bühne: Michael Levine, Sound: Gareth Fry, Pete Malkin; Gastspiel von Complicite, London, bei den Wiener Festwochen. Halle E im MuseumsQuartier, Weitere Aufführungen: 3.-5. Juni, Publikumsgespräch am 3. Juni im Anschluss an die Vorstellung, Karten: 01 / 589 11 22, www.festwochen.at)