Zwölfender wildert am Wilden Kaiser
Im Rahmen der Kitzbüheler Alpenrallye 2016 lieferte der Bentley Bentayga einen ebenso publikumswirksamen wie -trächtigen Auftritt.
Von Beatrix Keckeis-Hiller
Kitzbühel –Die Stars der Kitzbüheler Alpenrallye sind die Oldtimer. Das steht und stand auch heuer, von 1. bis 4. Juni, außer Frage. Dieses Mal aber gesellte sich zu den knapp 190 hochkarätigen Startern ein Stargast neuzeitlichen automobilen Zuschnitts: Bentley hatte den brandneuen Bentayga, die SUV-Premiere der englischen Edelschmiede mit deutschem Technikhintergrund, mitgebracht. Der luxuriöse Newcomer durfte im Fahrwasser der Alpenrallye rund um den Wilden Kaiser erstmals vor heimischem Publikum frei laufen. Und mit der schieren Kraft seines Antriebs spielen, um nicht zu sagen wildern. Denn aus seinem optimierten Sechsliter-Zwölfzylinder (W12 = 2 x VR6) mit zweifacher Twinturbo-Aufladung holt er 608 PS Spitzen-Power, unterfüttert mit 900 Newtonmetern Maximaldrehmoment.
Damit ragte er nicht alleine leistungsseitig aus dem Starterfeld heraus, ebenso mit seinen doch recht imposanten Dimensionen. 5,140 Meter Länge, 1,998 Meter Breite (ohne Außenspiegel; mit: 2,224 m), 1,742 Meter Höhe sind im Vergleich zu den in Kitzbühel angetretenen Historischen eine recht kolossale Ansage. Dazu sind die fast drei Meter Radstand (genau: 2,995 m) anzuführen und das Startgewicht von 2440 Kilogramm. So dimensioniert mischte sich der Zwölfender am dritten Rallye-Tag ins Defilée – auch seiner Ahnen, unter anderem einem 3 Litre Speed Model, einem R-Type Continental Mulliner Fastback sowie einem 4,5 Litre – und stellte sich unter Auslassung sämtlicher Zeit- und Sonderprüfungen den Herausforderungen der „Zillertal-Runde“ über insgesamt 260 Kilometer. Ausgehend von Kitzbühel über den Pass Thurn stellte auf dem ersten Streckenabschnitt der recht dichte Verkehr die größte Herausforderung dar. Das erste Mal zur Sache gehen konnte es auf der (neuen) Gerlosstraße. Im sportlichsten der acht zur Verfügung stehenden Fahr-Modi wird das Versprechen des möglichen Null-auf-hundert-Sprints in 4,1 Sekunden glaubhaft erfüllt. Und in den Kehren macht der Brit-SUV anhand von Lenkpräzision und dem Fehlen von Wankelmut glauben, dass er in Wahrheit ein Sportwagen ist. Man könnte via Paddles ein wenig Schaltarbeit leisten. Doch portioniert die Achtgang-Wandlerautomatik die Fahrstufen so goldrichtig, dass man’s ruhig lassen kann. Auch geht die mächtig dimensionierte Bremsanlage souverän mit dem Zweieinhalbtonner um. Somit war die eine etwas bösartige zumachende Haarnadelkurve in Richtung Zell am Ziller keine echte Herausforderung. Etwas Herzklopfen hingegen bereitete die nach der Mittagspause in Pertisau angegangene Zillertaler Höhenstraße. Die über weite Strecken völlige Absenz von Ausweichmöglichkeiten wirkte doch etwas fordernd. Das Umzirkeln enger, steil ansteigender oder abfallender Kurven auf dem schmalen Asphaltband jedoch nicht, der Riese kann tänzerisch agil und präzise wedeln.
Als Nachtrag zur Rallye-Runde rund um den Wilden Kaiser wurde der Bentayga nach Wien geschickt. Nach weitestgehender Einhaltung der gesetzlichen Speed-Limits und bei nur fallweiser Ausnützung seiner Spurt-Power vermeldete der Engländer via Bordcomputer einen Durchschnittsverbrauch von 14,3 Litern. Als Normmixverbrauch gibt Bentley 13,1 Liter pro hundert Kilometer an. Ein durchaus vernünftiges Resultat, wenn man das Wort Vernunft unbedingt strapazieren will. Für das Ausloten der Top-Speed – laut Technik-Daten 301 km/h – lag das passende Terrain nicht auf der Strecke. Eine Geländewertung stand ebenfalls (noch) nicht auf dem Erprobungs-Programm. Der Start-Preis des Bentayga: ab 270.240 Euro.