Verkehr

Das Jahrzehnt der großen Eisenbahntunnel

Zwischen 2023 und 2026 sollen in Österreich der Semmering-, der Brennerbasis- und der Koralmtunnel in Betrieb gehen. Umstritten sind sie alle drei.

Von Peter Nindler

Innsbruck –Wer hat’s erfunden? Die Schweiz. Mit der Neue-Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) investiert sie seit 20 Jahren massiv in den Ausbau der Schieneninfrastruktur. Herzstücke sind der vor wenigen Tagen eröffnete längste Eisenbahntunnel der Welt, der Gotthard, sowie der Lötschbergtunnel. 21 Milliarden Euro stemmen die Eidgenossen dafür. Der Grundstein dafür wurde bereits in einer Volksabstimmung 1992 gelegt, mit der Fertigstellung des 57 Kilometer langen Gotthardtunnels fährt die Schweiz jetzt wie auf Schienen.

Weniger strategisch erfolgte hingegen die Umsetzung der neuen Eisenbahninfrastruktur in Österreich. Zwischen Finanzierungsauseinandersetzungen und Fragen nach der Sinnhaftigkeit neuer Tunnel holperte die Diskussion jahrelang dahin. Und in diesem Interessengemenge zwischen Bund, Ländern und Österreichischen Bundesbahnen gerieten die Ausbaupläne immer wieder ins Stocken. Die Bruchlinien bei den drei großen Tunnelprojekten Brennerbasistunnel, Semmering- und Koralmtunnel verlaufen quer.

Mit dem 27,3 Kilometer langen und 3,3 Milliarden teuren Semmeringbasistunnel konnte sich Niederösterreich aus Naturschutzgründen lange nicht anfreunden. Auch nicht politisch. Auch nach der politischen Einigung über die Trassenführung beschäftigte das Vorhaben mehrmals die Höchstgerichte. Seit 2012 wird gebaut, 2026 soll der Tunnel jetzt in Betrieb gehen und die Fahrzeit zwischen Wien und Graz um 50 Minuten verkürzen. Von allen drei Projekten bewertet ihn Sebastian Kummer vom Institut für Transportwirtschaft und Logistik an der Wirtschaftsuniversität Wien am sinnvollsten.

Zum politischen Prestigevorhaben schlechthin hat es der Koralmtunnel zwischen Kärnten und der Steiermark gebracht. Die Politik, allen voran der 2008 verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, forcierte den 32,4 Kilometer langen Tunnel, dessen Wirtschaftlichkeit mit Investitionskosten von 5,4 Milliarden Euro nach wie vor umstritten ist. Von der Verkehrspolitik wird er allerdings immer wieder als Teil der Baltisch-Adriatischen Achse, die die Ostsee mit dem Mittelmeer verbindet, in Schutz genommen. 2023 dürften die ersten Züge durch den Koralmtunnel rollen.

Die längste Vorgeschichte von allen dreien hat der Brennerbasistunnel (BBT). Mit der geplanten Inbetriebnahme 2026 wird er auch der längste Eisenbahntunnel der Welt sein. Im Beitrittsvertrag mit der EU 1994 vereinbart, steht die Verlagerung der Gütertransporte von der Straße auf die Schiene beim BBT im Vordergrund. Daran wird seine Wirtschaftlichkeit gemessen. Seit Jahren unken Kritiker bereits über das Milliardengrab Brennerbasistunnel, den Österreich und Italien gemeinsam realisieren. Außerdem gab es 2012 eine Vorgabe der Bundesregierung, 350 Mio. Euro einzusparen.

Basistunnel-Vorstand Konrad Bergmeister, der seit zehn Jahren den Tunnel strategisch vorantreibt, beurteilt die Situation pragmatisch: „Wir liegen im Plan. Die Kosten sind stabil und betragen 8,5 Mrd. Euro inklusive der Vorsorge für eventuell auftretende Risken.“ Die Baukosten von rund zehn Milliarden Euro würde man einhalten. Dass nach Eröffnung des Gotthardtunnels der Brenner im Gütertransport möglicherweise umfahren wird, befürchtet Bergmeister nicht. „Im gesamten Alpenbogen wollen wir eine Verlagerung, dazu benötigt es den Brennerbasistunnel.“ Wie durch den Gotthard sollen am Brenner ebenfalls 260 Güterzüge täglich rollen. „Damit schaffen wir dann eine Verlagerung von 50 Prozent des Güterverkehrs auf die Bahn.“

Am Haupttunnel wird schon gebaut, die Herausforderungen sind deshalb nach wie vor die Zulaufstrecken im Norden und im Süden. Zwischen Franzensfeste und Waidbruck (21 Kilometer), dem wichtigsten Abschnitt, um ein vorgelagertes Nadelöhr zu verhindern, befinden sich die Ausführungsplanungen in der Endphase. Bergmeister: „Und der deutsche Bundesverkehrswegeplan sieht jetzt erstmals Gelder für den Ausbau von München bis Rosenheim vor.“ In einem für 21. Juni geplanten Memorandum soll das Aktionsprogramm aktualisiert werden. Die Kosten für die Zulaufstrecken beziffert Bergmeister letztlich mit rund fünf Milliarden Euro.

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