„Pole der schlimmsten Sorte“ - Dank Kaczynski zum Bestseller
EU-weit (APA/dpa) - Michal Gorecki (39) ist Jaroslaw Kaczynski aufrichtig dankbar. „Er ist einer der Pfeiler unseres Erfolgs“, sagt der Wars...
EU-weit (APA/dpa) - Michal Gorecki (39) ist Jaroslaw Kaczynski aufrichtig dankbar. „Er ist einer der Pfeiler unseres Erfolgs“, sagt der Warschauer Unternehmer über den Chef der nationalkonservativen polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Kaczynski ist als Freund markiger Worte bekannt. Einige seiner bekanntesten Parolen schmücken die T-Shirts, die Gorecki in dem gemeinsam mit einem Freund betriebenen T-Shirt-Shop „Koszulkowo“ verbreitet.
Politische Slogans sind neu im Repertoire der Firma, die bisher überwiegend ironisch Filmkultur, Nerds und polnischen Alltag auf der T-Shirt Brust thematisierte. Aber seit dem Regierungswechsel im vergangenen November entwickelte sich das T-Shirt mit der Aufschrift „Pole der schlimmsten Sorte“ innerhalb von drei Tagen zum neuen Bestseller. Ebenfalls beliebt: „Ich trage das Verräter-Gen“ oder „Nein zur Welt der Radfahrer und Vegetarier“.
Kaczynski hatte im Dezember die Teilnehmer an Protesten gegen die Regierung als Polen der schlimmsten Sorte bezeichnet, in deren Genen sich die „Tradition des nationalen Verrats“ befinde. Außenminister Witold Waszczykowski wiederum brachte im Jänner in einem Interview mit der Bild-Zeitung seine Skepsis vor dem Weltbild von Vegetariern und Radfahrern zum Ausdruck. Seitdem werden auf Kundgebungen der Opposition auch schon mal Karotten und Kohlköpfe geschwenkt.
„Ich will ja gar nicht einseitig Partei ergreifen“, versichert Gorecki, der seit knapp vier Jahren T-Shirts druckt und vertreibt. „Aber Jaroslaw Kaczynski liefert mit seinen Sprüchen perfekte Vorlagen. Und die andere Seite hat ja genügend T-Shirt-Muster zur Auswahl.“
Das bezieht sich etwa auf das Mode Label „Red is bad“, das für sich als „Produzent patriotischer Mode“ wirbt. Mit Nationalismus habe er aber nichts am Hut, betont Unternehmenschef Pawel Szopa (30) mit Blick auf die aggressiven Botschaften anderer Hersteller, die auf ihren Shirts „Tod den Feinden des Vaterlands“ drohen. „Wir wollen Patriotismus pflegen und die Helden der polnischen Geschichte ehren, etwa des Warschauer Aufstands.“ Allerdings gibt er zu: „Wir haben keinen Einfluss darauf, wer unsere Mode bestellt.“
Bewerben muss Gorecki seine politisch inspirierten T-Shirts nicht. „Das ist dank sozialer Medien ein Selbstläufer“, freut sich der 39-jährige, der ursprünglich aus der Marketingbranche stammte. „Die Leute posten auf Demonstrationen Selfies, und plötzlich wollen alle das T-Shirt.“
Doch nicht nur die Mode in Polen ist neuerdings politisch geworden. Fans des öffentlich-rechtlichen Radiosenders „Trojka“ riefen über Facebook dazu auf, die alte Bürgerrechtshymne „Wolnosc“ (Freiheit) in die Charts zu wählen - auch als Protest gegen die Änderungen im Sender, dessen neue Leitung von der nationalkonservativen Regierung eingesetzt wurde. Der Erfolg überraschte die Initiatoren: Die „Freiheit“ landete auf Platz Eins der besten Hits aller Zeiten.
Auch die polnische Punkrock-Band Big Cyc, die in diesem Jahr eigentlich etwas kürzertreten wollte, produzierte angesichts der neuen Regierungsverhältnisse das Album „czarne slonce narodu“ (schwarze Sonne des Volkes), einem ihrer politischsten. „Das ist ein Album, das gegen Diktatur, Autokratie und politische Arroganz protestiert“, sagte Jacek Jedrzejak, der Sänger der 1988 gegründeten Band.
Ein Gratiskonzert gab es schon vor der Veröffentlichung nach der großen Oppositionskundgebung am 7. Mai. Die harten Rhythmen mobilisierten auch nach mehrstündiger Demonstration noch Hunderte. „Ich sah 60-jährige Pogo tanzen“, schrieb ein Journalist in „Newsweek Polska“ erstaunt.
Für die nächste große Kundgebung am kommenden Samstag (4. Juni) gibt es keine Auftrittspläne. Dafür werden dort mit Lech Walesa, Aleksander Kwasniewski und Bronislaw Komorowski gleich drei Ex-Präsidenten in der ersten Reihe des Protests erwartet.