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Bahn-Werbung mit schwulem Fußballer startet auf Facebook durch

Ein neuer Werbe-Spot der Deutschen Bahn kratzt an einem Tabu: Schwule im Fußball.
© Screenshot/YouTube

Ein Werbe-Spot zu 25 Jahre ICE zeigt ein schwules Paar mit einer gemeinsamen Leidenschaft für Fußball. Aber wie passt das zusammen? Und wie gut funktioniert das in den sozialen Medien?

Von Andreas Heimann, dpa

Berlin – Erst war der neue Werbe-Spot der Deutschen Bahn zu 25 Jahren ICE nur auf YouTube zu sehen, inzwischen startet er auch auf Facebook durch. Das Unternehmen setzt damit auf die sozialen Medien und auf ein Thema, das mit demICE gar nichts zu tun hat: Schwule im Fußball. In dem 1 Minute und 40 Sekunden langen Clip geht es um ein schwules Paar. Der eine ist beim Fußball auf dem Platz zu sehen, der andere fiebert auf der Tribüne mit. Am Ende treffen sich beide im Bahnhof und umarmen sich. Der Facebook-Post der Bahn verzeichnete am Freitagvormittag schon rund 680.000 Aufrufe und 3700 Likes, darunter auch vom deutschen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Auf YouTube waren es 445.000 Aufrufe für die „vielleicht berührendste Fußballgeschichte des Jahres - Gänsehaut garantiert!“, wie die Deutsche Bahn den Clip anteasert. Nach Angaben eines Sprechers soll er nicht im Fernsehen, sondern nur in sozialen Medien zu sehen sein. Die Idee zu dem Kurzvideo hatte die Werbeagentur BBDO. Aber warum ein schwules Paar in einem Spot zu 25 Jahre ICE? „Als wir uns an die Arbeit gemacht haben, war klar, dass wir zeigen wollen, der ICE ist mehr als ein Transportmittel. Weil die Züge jeden Tag die verschiedensten Menschen zusammenbringen“, erklärt Franzis Heusel, Geschäftsführer Beratung bei der Werbeagentur BBDO in Berlin.

ICE-Jubiläum und Fußball-EM in einem Clip vereint

Und weil das ICE-Jubiläum fast mit dem Start der Fußball-EM zusammenfällt, lag der Bezug zum Sport nahe. „Wir kamen dann auf die Idee, eine Liebesgeschichte zu erzählen.“ Dass es um ein schwules Paar geht, habe die Bahn von Anfang an unterstützt. „Werbung versucht, die besondere Geschichte zu erzählen. Und heterosexuelle Paare hat man schon 100 Mal gesehen“, erklärt Heusel. Die Reaktionen in den sozialen Medien seien überwiegend positiv. „Dass es auch Leute gibt, die das nicht gut finden, dieses Risiko gehen wir bei diesem Thema gerne ein.“

Aber was muss ein Spot mitbringen, um in sozialen Medien Erfolg zu haben? „Man muss Menschen zum Nachdenken bringen, zum Weinen oder zum Lachen, im Optimalfall alles drei in einem Spot“, sagt Stefan Stojanow, Vorsitzender der Fokusgruppe Social Media im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). „Themen, die die Gesellschaft bewegen, werden in den sozialen Medien geteilt.“ Homosexualität sei ein kontroverses Thema, das Aufmerksamkeit verschaffe - der Spot der Bahn also durchaus ein Hingucker.

Kritik: Für einen Kuss hat es noch nicht gereicht

Hinzu kommt, dass eine emotionale Geschichte erzählt werde - mit Aspekten wie Begeisterung für Fußball, die von vorneherein mit Gefühlen zu tun haben. Wobei Stojanow glaubt, dass der Clip mit fast 1,40 Minute gerade für mobile Nutzer möglicherweise schon zu lang ist, um richtig durch die Decke zu gehen. Aber um den Erfolg des Spots solide zu beurteilen, sei es noch zu früh.

Grundsätzlich sehr positiv, sieht Markus Ulrich, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD), den Werbe-Clip der Bahn. Gut daran sei gerade die Selbstverständlichkeit, mit der ein schwules Paar in einer ganz normalen Situation gezeigt werde. „Ein Minuspunkt ist, dass es für einen schwulen Kuss am Ende nicht gereicht hat. Man sieht, wo dann doch die Grenze ist“, so der Sprecher des LSVD-Bundesverbandes in Berlin.

Ein Kritikpunkt, der auch in vielen Facebook-Kommentaren aufgegriffen wird. Zeitgleich hat die Diskussion über den neuen „Tatort“ von diesem Sonntag schon begonnen: Da ist der Berliner Ermittler Robert Karow, gespielt von Mark Waschke, bei schwulem Sex zu sehen - das geht deutlich weiter als der Clip für die Bahn.

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