Osttirol

Als alle noch aus einer Schüssel aßen

Der 500 Jahre alte Kammerlanderhof in Thurn ist heute ein Volkskundemuseum mit Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen für bis zu 140 Personen.
© Blassnig

Eine neue wissenschaftliche Arbeit der Universität Innsbruck widmet sich dem größten Keramikkomplex aus dem 19./20 Jahrhundert, der in einem Osttiroler Bauernhaus entdeckt wurde - im Kammerlanderhof in Thurn.

Von Christoph Blassnig

Thurn –Die vor einigen Jahren gefundenen Scherben und Keramik-Bruchstücke stammen aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Eine Zeit, in der man auf den Bauernhöfen noch gemeinsam um den Mittagstisch saß und alle aus einer großen Schüssel speisten. Umbauarbeiten am Kammerlanderhof in Thurn hatten an die sechzig Stücke im ehemaligen Lagerraum, dem Gaden, wieder ans Licht gebracht. Um den kleinen Raum für Ausstellungen zu gewinnen, wurde dort der Erdboden in der Folge mit Holzbohlen überspannt.

Den Fund übergab man dem Archäologen Harald Stadler. Dieser konnte eine seiner Studentinnen darauf aufmerksam machen. Zuerst sollten die Stücke nur gezeichnet und fotografiert werden, ein Katalog entstand. Schließlich hat Christina Bürger ihre Masterarbeit diesem Thema gewidmet. „Es handelt sich um den größten Keramikkomplex aus dem 19./20. Jahrhundert, der bisher in einem Bauernhaus in Osttirol entdeckt wurde“, beschreibt Stadler den Fund. Es sei ein kleiner, aber wichtiger Mosaikstein innerhalb der neuzeitlichen Keramikforschung.

„Weil diese Zeit historisch gesehen zu kurz zurückliegt, gibt es leider sehr wenig Beschreibungen und Literatur zum Vergleichen“, erzählt Bürger. Deshalb sei ihre Arbeit schwierig gewesen. Umso wichtiger seien, wie in diesem Fall, Sponsoren, um die zusammengetragenen Erkenntnisse wissenschaftlicher Untersuchungen anderen zugänglich zu machen. Bürgers Werk konnte für den Druck aufbereitet werden.

Zusammengesetzte Fragmente einer Schüssel: Diese stammt aus Osttiroler Produktion.
© Bürger

„Ich möchte nicht nur beschriebenes Papier in den Regalen sehen“, wünscht sich auch Stadler. „Die Öffentlichkeit, Vereine und Gemeinden sollen von den herausragenden Studentenarbeiten der Universität Innsbruck profitieren.“

Christina Bürger konnte die zerbrochenen Gefäße mit Unterstützung eines Restaurators fast vollständig rekonstruieren und ihren einstigen Zwecken zuordnen. Der heute noch in Osttirol beliebte „Blattlstock“, eine süße Mehlspeise, die sich aus schwimmend herausgebackenen Hefeteigfladen mit Butterschmalz und Mohn auftürmt, hatte am Kammerlanderhof einen eigenen „Blattlteller“.

Praktisch alle gefundenen Bruchstücke stammen von Speisegeschirr. Zum Teil sehr bunt und dekoriert, manchmal glasiert. Verzierungen aus Wellenlinien, mit Monogrammen und Schriften bezeugen auch eine gewisse Funktion als „Modeschmuck“ in dieser Zeit. „Bauernkeramik“ könne man sagen, so Bürger. Nicht zu vergleichen mit feinen Porzellanarbeiten, wie sie bei Hofe oder Personen höheren Standes üblich waren. „Und dennoch schon auch Ausdruck dessen, was man sich im Rahmen der eigenen Möglichkeiten leisten konnte.“

Eine Besonderheit, weil sehr selten erhalten, ist das Fragment einer Speiseschüssel, die den Namen des damaligen Hofbesitzers am Boden trug: Rohracher. Das sei ein klarer Hinweis für eine Auftragsarbeit bei einem Hafnermeister in der Nähe, erklärt Bürger. „Schließlich fand überregionaler Austausch zu dieser Zeit nur über fahrende Karrenhändler statt. Da hätte eine solche Arbeit leicht schon beim längeren Transport zu Bruch gehen können.“

Am Freitag, 17. Juni, um 19 Uhr präsentieren Bürger und Stadler die Untersuchungsergebnisse am Kammerlanderhof. Die schönsten Stücke werden künftig in einer Glasvitrine zu sehen sein.

In der Stube wird bereits jene Glasvitrine aufbewahrt, die die schönsten Stücke dauerhaft präsentieren wird.
© Blassnig

Für Sie im Bezirk Lienz unterwegs:

Catharina Oblasser

Catharina Oblasser

+4350403 3046

Verwandte Themen