Armenischer Präsident: Deutschland machte historischen Schritt
Eriwan/Ankara/Berlin (APA/AFP/dpa) - Der armenische Präsident Serzh Sarksyan hat die vom Deutschen Bundestag verabschiedete Resolution über ...
Eriwan/Ankara/Berlin (APA/AFP/dpa) - Der armenische Präsident Serzh Sarksyan hat die vom Deutschen Bundestag verabschiedete Resolution über den Völkermord an Christen im Osmanischen Reich als „historischen Schritt“ bezeichnet, wie die russische Presseagentur Interfax laut Kathpress am Freitag berichtet. Unterdessen wurde die deutsche Botschaft in Ankara von empörten Demonstranten mit Eiern beworfen.
Sarksyan habe Briefe an Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel und Bundestagspräsident Norbert Lammert geschrieben, in denen er für die Durchführung der Abstimmung über die Resolution gedankt habe, so die Pressestelle des Präsidenten.
„Die Verabschiedung der Resolution ist ein historischer Schritt nicht nur für das armenischen Volk und für Deutschland, sondern auch für die gesamte zivilisierte Welt. Mit diesem Schritt wird die Überlegenheit der Demokratie symbolisiert, die universale Gültigkeit gemeinsamer menschlicher Werte sowie Deutschlands konsequente Rolle in dem Anliegen einer Sicherung dieser Werte unterstrichen. Es ist eine Botschaft an die ganze Welt, dass die Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor 100 Jahren nicht nur unvergessen sind, sondern auch explizit verurteilt werden“, betonte der Präsident in dem Brief.
Am Tag nach der Annahme der Armenien-Resolution haben Demonstranten die deutsche Botschaft in der türkischen Hauptstadt Ankara mit Eiern beworfen. Die Demonstranten versammelten sich am Freitag in der Nähe des Gebäudes in der Innenstadt von Ankara und legten aus Protest einen schwarzen Kranz nieder, wie die Lehrergewerkschaft Egitim-Sen als Organisatorin der Kundgebung mitteilte.
Die Eierwürfe seien eine Botschaft an Merkel gewesen, teilte Egitim-Sen-Vorstandsmitglied Talip Geylan im Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Nach Medienberichten hatten mehrere Dutzend Menschen an der Demonstration vor der von der Polizei gesicherten Botschaft teilgenommen. Berichte über Festnahmen lagen nicht vor. Schon am Donnerstag hatte es in Istanbul und Ankara anti-deutsche Proteste gegeben.
Auch auf politischer Ebene ging die Kritik an Deutschland weiter. Justizminister Bekir Bozdag sagte laut Medienberichten, die Deutschen hätten zuerst die Juden in den Öfen der Konzentrationslagern verbrannt und beschuldigten jetzt die Türken, einen Völkermord begangen zu haben.
Der Bundestag hatte am Donnerstag fast einstimmig die Resolution zum Armenier-Völkermord angenommen. Es gab nur eine Gegenstimme und eine Stimmenthaltung. Die Einstufung der Massaker an den Armeniern als Völkermord löste umgehend heftige Reaktionen in der Türkei aus. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drohte, die Resolution werde „ernste“ Folgen für die deutsch-türkischen Beziehungen haben. Die türkische Regierung rief umgehend den türkischen Botschafter aus Berlin zurück und zitierte den deutschen Vertreter in Ankara ins Außenministerium.
Das Auswärtige Amt in Berlin setzt jedoch weiter darauf, dass es wegen der Armenier-Resolution zu „keinen weiteren Beeinträchtigungen“ im Verhältnis zur Türkei kommt. Dafür seien die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland zu eng, sagte eine Sprecherin des Ministeriums am Freitag in Berlin. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte ebenfalls, dass die Beziehungen zu dem Land so vielfältig seien, dass es solche Meinungsunterschiede aushalten werde. Die Regierung werde sich weiter dafür einsetzen, dass es zu einem Dialog der Türkei mit den Armeniern komme.
Der türkische Botschafter in Deutschland erwartet nach der Annahme der Völkermordresolution keinen dauerhaften Schaden für die Beziehungen beider Länder. „Das ist eine bedauernswerte Entscheidung, eine emotionale Entscheidung“, sagte Botschafter Hüseyin Avni Karslioglu am Donnerstagabend in Ankara. Die Türkei werde darauf nicht emotional, sondern „mit unserem Verstand“ reagieren. „Natürlich wird die türkisch-deutsche Freundschaft und werden die tiefen Beziehungen zwischen dem deutschen und dem türkischen Volk bestehen bleiben.“
1915 hatte die modernistisch orientierte, nationalistische jungtürkische Regierung des Osmanischen Reiches beschlossen, die christliche armenische Bevölkerung, der eine Kooperation mit dem feindlichen Russland vorgeworfen wurde, aus deren Siedlungsgebieten in Anatolien systematisch deportieren und anschließend töten zu lassen. In den Massakern und bei den Todesmärschen durch die syrische Wüste starben nach Schätzungen bis zu 1,5 Millionen Armenier.
(Alternative Schreibweisen: Serge/Sersch Sargsjan/Sarkissian)