Duzdar: „FPÖ und ich werden keine Freunde“
SPÖ-Staatssekretärin Muna Duzdar klagte FPÖ-Chef Strache und ortet eine Aufbruchstimmung in der Sozialdemokratie. Eine Notsituation in der Asylpolitik erkennt die 37-Jährige derzeit nicht.
In den vergangenen Wochen war die Rede von gespaltener Gesellschaft, im Zusammenhang mit Flüchtlingen von Ängsten der Menschen. Zumindest konnte man bislang sagen: Bei uns brennen keine Asylheime. Nun ist der Brandanschlag in Altenfelden geschehen.
Muna Duzdar: Das, was in Altenfelden passiert ist, macht mich betroffen und ist eine furchtbare Sache. Ich habe mir auch immer gedacht, wir sind vor solchen Anschlägen gefeit. Dem muss man nun nachgehen, warum es möglich ist, dass es so weit kommen konnte. Ich höre gleichzeitig viel von Flüchtlingsprojekten in Oberösterreich und zivilgesellschaftlichem Engagement vor Ort.
Was hat sich verändert in unserer Gesellschaft?
Duzdar: Ich sehe schon auch eine gewisse Protesthaltung, eine Unzufriedenheit mit dem Status quo. Da ist es so wichtig, dass die Politik, was die Rhetorik anbelangt, Worte sehr sorgfältig wählt. Wenn es Sorgen gibt, hat man die ernst zu nehmen. Aber man muss auch Ängste nehmen können, den Leuten Hoffnung geben. Wir müssen ihnen sagen: Es geht was weiter. Und ich sehe Gruppierungen – und ich kann sie auch beim Namen nennen, die FPÖ –, die machen sich das zunutze, die verunsichern, die verängstigen die Menschen. Da müssen die verantwortungsvollen Politiker dagegenhalten.
Diese schrecklichen Ereignisse sind also eine Folge fehlgeleiteter Politik?
Duzdar: Ich will das nicht in direkten Zusammenhang bringen, aber es hat auch damit zu tun, wie die Stimmung ist. Eine aufgeheizte Stimmung fördert natürlich gewisse Situationen.
Bei Ihrer Angelobung sind Sie massiv von der FPÖ angegriffen worden, FPÖ-Kandidat Hofer hat gesagt, Sie mit einem Kopftuch nicht angeloben zu wollen. Sie haben nie ein Kopftuch getragen …
Duzdar: Stimmt!
Ist das ein Beispiel von Sprache, die radikalisiert?
Duzdar: Ja. Ich habe die Aussage deplatziert gefunden. Ich wollte ihr bewusst keine Bedeutung geben und das auch noch kommentieren. Ich und die FPÖ, wie sie jetzt ist, werden sowieso keine Freunde mehr. Für die FPÖ sind Muslime, Ausländer und Migranten integrations- und bildungsfeindlich. Und ich bin das Gegenteil davon. Insofern werden sie mich weiter attackieren, aber ich nehme das gelassen, lasse mir aber auch nichts gefallen. Und wenn sie Unwahrheiten behaupten, werde ich rechtliche Schritte einleiten. Ich habe Heinz-Christian Strache geklagt, weil er im ORF behauptet hat, ich hätte eine islamistische Terroristin nach Wien eingeladen.
Die FPÖ hat im Wahlkampf auch von Elite und Establishment auf der einen Seite gesprochen und dass sie das Volk vertreten. Es gelingt den Freiheitlichen offensichtlich, eine Vormachtstellung in dieser begrifflichen Welt zu haben.
Duzdar: Die FPÖ tut immer so, als ob sie das Volk vertreten würde und Bürgernähe zeige. Aber ich sehe das nicht. Die Menschen haben eine viel höhere Erwartung an die Sozialdemokratie als an die FPÖ. Die FPÖ wählen sie, weil sie ihren Protest kundtun wollen. Aber ich glaube nicht – und das zeigen mir auch viele Gespräche –, dass man der FPÖ Regierungsverantwortung zutraut. Von der Sozialdemokratie erwartet man sich echte Lösungen und Veränderungen, bessere Lebensbedingungen. Es ist wichtig, dass sich die Regierungsparteien und gerade auch die Sozialdemokratie genau ansehen, wo die gesellschaftlichen Probleme sind. Die Jahre der Wirtschafts- und Finanzkrise haben bei uns Spuren hinterlassen.
Der Eindruck ist, die Sozialdemokratie der vergangenen Jahre hatte diese Leidenschaft nicht.
Duzdar: Ich möchte nicht so viel über die Vergangenheit reden. Das finde ich nicht anständig, das zu tun. Aber das war natürlich auch ein Grund, warum es zu der Veränderung gekommen ist. Jetzt gibt es eine Aufbruchstimmung und Christian Kern ist sehr beliebt, weil er offen und aufrichtig ist, die Dinge beim Namen nennt und keine Diskussionen scheut. Ich bin seit meinem 16. Lebensjahr in der Sozialdemokratie und ich weiß nicht, wie oft ich auf der Straße gestanden bin und diskutiert habe. Auch wenn es oft keine schönen Diskussionen waren, habe ich mich ihnen immer gestellt.
Trotz der von Ihnen zitierten Aufbruchstimmung waren die vergangenen Tage geprägt von einer Diskussion über die Asylzahlen. Was funktioniert hier nicht?
Duzdar: Man sollte nicht aus allem einen Konflikt konstruieren Es ging darum, die Zahlen genau aufzuschlüsseln. Für mich ist viel wichtiger, dass man sich jetzt mit den wahren Problemen auseinandersetzt. Wir haben seit ein paar Monaten Tausende Menschen in unserem Land, diese sollen so schnell wie möglich in die Gesellschaft eingebunden werden. Wir wissen aus vielen Studien, dass die ersten zwei Jahre entscheidend sind. Derzeit müssen die Menschen warten, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist, bis sich irgendeine Institution mit ihnen beschäftigt. Das ist viel zu spät. Vor allem die jungen Burschen und Männer müssen weg von der Straße, die brauchen Beschäftigung und Ausbildung.
Sie waren nie eine Freundin der 180-Grad-Wende in der Flüchtlingspolitik von Werner Faymann. Nun sind Sie Teil einer Regierung, die vermutlich heuer noch eine Notverordnung in Kraft setzen muss.
Duzdar: Ich sehe die Asylgesetz-Novelle nach wie vor kritisch und werde meine Meinung auch nicht ändern. Tatsache ist, dass in einer Demokratie Mehrheiten entscheiden, und das akzeptiere ich. Aber ich sehe derzeit keinen Notstand und halte es nicht für gut, wenn man eine Notsituation kreiert oder herbeiruft. Weil dadurch verunsichert man die Menschen.
Aber wenn die Obergrenze von 37.500 Asylwerbern erreicht ist, kommt die Notverordnung.
Duzdar: Zum jetzigen Zeitpunkt hat es keinen Sinn, dass wir hier Szenarien durchspielen. Jetzt ist es nicht so.
Das Interview führten Cornelia Ritzer und Michael Sprenger