Finanzminister Schelling: „Das wird es mit mir nicht geben“
Finanzminister Schelling teilt den Ländern klar mit, dass er das Prinzip „Eine Seite bestellt, der Bund zahlt“ durchbrechen will. Zudem hat er auch einen Plan B, sollten die Finanzausgleichsverhandlungen scheitern.
Hat der Kanzlerwechsel auch in der Bundesregierung für eine Aufbruchstimmung gesorgt?
Hans Jörg Schelling: Ich denke schon. Ich rechne mit neuen Impulsen. Wenn jemand von außen, von der Wirtschaft kommt, besitzt man zwangsläufig einen anderen Blickwinkel. Ich sehe jedenfalls eine Chance eines gemeinsamen Ziels: Wir sind an Lösungen orientiert, die akzeptiert werden und gut für das Land sind.
Und hierfür reicht schon der Kanzlerwechsel?
Schelling: Diese Lösungsorientierung muss auch bei allen anderen Regierungsmitgliedern zum Handlungsprinzip werden.
Sie sind auch aus der Wirtschaft gekommen: Sie mussten zur Kenntnis nehmen, dass man sich auf der Regierungsbank leicht eine blutige Nase abholen kann. Was würden Sie denn Bundeskanzler Christian Kern für einen Tipp geben?
Schelling: Vermutlich holten sich auch jene Minister, die von innerhalb des politischen Zirkels gekommen sind, eine blutige Nase. Das hängt auch damit zusammen, dass die Beharrungskräfte stark und der Wille zur Veränderung oft schwach ausgeprägt sind. Aber es stimmt, von außen kommt man mit Euphorie. Mein Zugang ist: Und wenn es einmal einen Rückschlag gibt, sammle ich Kräfte für den nächsten Vorstoß. Wenn ich dem Kanzler einen Ratschlag geben kann: Wenn man von seinem Handeln überzeugt ist, darf man nicht aufgeben. Zudem soll er ruhig die Methoden aus der Wirtschaft übersetzen: klare Projektthemen formulieren, klare Zielvorgaben festlegen. Alles zuerst intern besprechen, bevor man die Öffentlichkeit sucht.
Und wenn die Bundesregierung einmal eine Lösung gefunden hat, sollte man sich dann nicht mehr auseinanderdividieren lassen.
Schelling: Es darf innerhalb der Regierung zu keinem Wettbewerb der Schlagzeilen kommen. Dies wurde in der Regierung Faymann reichlich praktiziert. Die Regierung ist gut beraten, in der Entwicklung einer Lösung Sozialpartner (Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund und Bauernvertreter, Anm.) und oder Länder einzubinden. Aber am Ende muss es die Regierung sein, die entscheidet.
Wenn man Leadership ernst nimmt, dann soll aber die Regierung nicht mehr Aufträge an die Sozialpartner vergeben.
Schelling: Wir müssen den Sozialpartnern klare Zielvorgaben geben, wir müssen ihnen auch sagen, euer Job ist nicht, Politik zu machen. Wenn die Regierung mit den Sozialpartnern, mit den Ländern ihre Ziele erreicht, sehr gut. Aber es kann nicht sein, dass die Zielvorgaben der Regierung durch die Länder und Sozialpartner abgeändert werden.
Das heißt, die Regierung soll auch möglichem Widerstand der Gewerkschaft oder Wirtschaft trotzen?
Schelling: In einer Koalition muss jeder einmal über seinen Schatten springen. Wir müssen uns aber von der Suche nach einem Minimalkompromiss verabschieden. Kanzler und Vizekanzler gehen jetzt einen anderen Weg. Sie erklärten: Wir wollen eine Entschlackung der Gewerbeordnung und wir wollen eine Reform bei den Sozialversicherungen. Über diese beiden Themen durfte bisher nicht einmal gesprochen werden. Jetzt muss aber im Sinne der Lösung ein Prozess aufgesetzt werden, in dem man alle davon überzeugen kann, dass diese Lösung im Sinne Österreichs ist. Da wird es notwendig sein, dass Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner auch den Fachministern klare Vorgaben geben. Der Basar muss aufhören.
Sie sprechen von Basar, andere von Kuhhandel. Aber wenn ich politisch etwas erreichen will, muss ich auch einen Tausch anbieten.
Schelling: Da haben Sie Recht. Innerhalb eines Themenkomplexes – etwa Pensionen – kann und soll man dealen können. Ich nenne Ihnen aber ein Beispiel aus der Vorgängerregierung, um zu erläutern, was ich mit Basar meine: Da kam es zu einem aberwitzigen Abtausch zwischen Handwerkerbonus und Gratiszahnspange. Dies muss aufhören.
Am Montag kommt es zur nächsten großen Runde bei den Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Hier haben Sie bereits konkrete Zielvorgaben formuliert. Haben Sie mit Ihren Verhandlungspartnern schon einen gemeinsamen Weg gefunden?
Schelling: Ich habe konkrete Projekte vorgegeben, deshalb laufen die Verhandlungen auch anders als früher. Zumindest die Themenfelder wurden von Ländern, Städten und Gemeinden akzeptiert. Jetzt geht es ans Eingemachte. Was ich nicht mehr will: Eine Seite bestellt, der Bund zahlt. Zudem will ich klare Transparenz bei den so genannten Transferleistungen. Die Länder haben jetzt zumindest zugesagt, dass sie die Transferleistungen im Bereich Energie und Umwelt liefern, da geht es um große Fördermengen. Ich vertrete zudem die Auffassung, dass echter Föderalismus in Teilen Steuerhoheit bedeuten muss. Ich gebe gerne zu, dass wir in einigen Bereichen schon gute Fortschritte erzielt haben, aber in anderen Bereichen bewegen wir uns in einer Pattstellung. Ich hoffe, dass alle verstanden haben, dass wir nicht einfach so weitermachen wie bisher. Das wird es mit mir nicht geben.
Ihr Ziel heißt weiterhin „aufgabenorientierter Finanzausgleich“?
Schelling: Das ist mein Ziel. Die Leistung soll dort erbracht werden, wo sie möglichst bürgernah und effizient ist. Wir versuchen im Zuge der Verhandlungen herauszufinden, ob wir noch zeitgemäß arbeiten. Das kann alles nicht von heute auf morgen passieren. Aber der Zeitplan muss festgelegt werden.
Von welchem Zeitplan sprechen wir jetzt?
Schelling: Beginnend mit 1. Jänner 2017. Der Finanzausgleich muss also heuer zu einem Abschluss kommen und ist dann von der Ausgabenorientierung für die kommenden Jahre durchgetaktet.
Und wenn die Widerstandskräfte so stark sind, dass es nicht zu einem Abschluss kommt?
Schelling: Dann werde ich auf Basis meines Katalogs die Vorgaben einer Aufgabenorientierung umzusetzen versuchen. Eine gesetzliche Verlängerung des alten Finanzausgleichs will ich jedenfalls nicht. Das Finanzausgleichsgesetz sieht vor, dass der alte Finanzausgleich unter bestimmten Prämissen fortgeschrieben werden kann. Der Konsultationsmechanismus entfällt, also gibt es dann kein Einstimmigkeitsprinzip mehr, die 15a-Vereinbarungen laufen aus. Ich glaube deshalb an einen positiven Abschluss der Verhandlungen ohne bloße Absichtserklärungen. Ich stelle mich den Mühen der Verhandlungen. Ich bin sicher, dass auch die Landeshauptleute dazu bereit sind.
Wird es mit dem Abschluss der Finanzausgleichsverhandlungen auch zu einer Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen dem Bund und den Bundesländern kommen?
Schelling: Nein, wieso? Die Länder sind und bleiben ein politischer Machtfaktor. Ich suche auch nicht den Konflikt, sondern die Lösung. Ich weiß, dass auch die Länder reformorientiert sind. Das haben sie auch immer wieder bewiesen.
Das Gespräch führte Michael Sprenger
Die große Geld-Verteil-Aktion
Der Finanzausgleich ist ein politisches Unwort und zugleich die wohl wichtigste Geld-Verteil-Aktion des Landes. An die 80Milliarden Euro an Steuereinnahmen werden den Gebietskörperschaften zugewiesen. Wer wie viel bekommt, wird in den Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Städten geklärt. Zur Verteilung kommt der allergrößte Teil der Steuereinnahmen (ausgenommen sind reine Länderabgaben sowie Kommunalsteuern). Die Verteilung der Einnahmen erfolgt grundsätzlich nach folgendem Schlüssel: gut 67 Prozent an den Bund, knapp 21 Prozent an die Länder und knapp zwölf Prozent an die Gemeinden.
So einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht, ist es aber nicht. Denn es gibt unzählige Abzüge und Zuschläge, die dazu führen, dass dem Bund und den Gemeinden weniger, den Ländern dafür mehr bleibt. Unter anderem profitieren sie von den direkten Transfers des Bundes (Landeslehrer). Auch im Bereich der Sozialhilfe oder beim klinischen Mehraufwand kommen nennenswerte Summen zusammen. Verteilt wird aber nicht nur zwischen den Gebietskörperschaften, sondern auch innerhalb dieser. (TT)