Wiener Festwochen - „Isoldes Abendbrot“: Marthaler a la Wittenbrink

Wien (APA) - Ein Marthaler ist ein Marthaler ist ein Marthaler: Wenn auf einer Inszenierung der Name des legendären Schweizer Regisseurs pra...

Wien (APA) - Ein Marthaler ist ein Marthaler ist ein Marthaler: Wenn auf einer Inszenierung der Name des legendären Schweizer Regisseurs prangt, weiß der Zuschauer, was ihn erwartet. Der 64-jährige Schweizer hat sein eigenes Universum geschaffen, dem mit jeder Inszenierung ein neuer Mosaikstein hinzugefügt wird, so auch mit „Isoldes Abendbrot“, die am Freitag bei den Wiener Festwochen umjubelte Premiere hatte.

Der theatrale Liederabend besitzt die eigentümliche Melancholie der Marthaler-Arbeiten in Kombination mit dem markanten skurrilem Humor. Auch nimmt sich Marthaler wieder viel Zeit und verlangt Muße für sein Essay über die Vergänglichkeit. Dennoch offenbart „Isoldes Abendbrot“ im Detail durchaus einige neue Aspekte in der charakteristischen Handschrift des Theatermachers.

So ist die Dynamik für Marthalers Verhältnisse nachgerade auf Screwball-Geschwindigkeit hochgeschraubt. Nur selten steht das Geschehen still, meist sind die fünf Charaktere in Aktion, wenn auch dem Marthaler‘schen Minimalismus folgend, bei dem das Beugen eines Beines bereits zum Ereignis wird. So werden in zwei Stunden knapp 30 Lieder angerissen, wobei die Inszenierung immer wieder an die Liederabendpotpourris Franz Wittenbrinks erinnert. Allerdings verzichtet Marthaler auf eine Rahmenhandlung, die zum bloßen Füllmaterial degradiert würde.

Die Lieder stehen für sich selbst, werden als kurze Spielsequenzen mit Bedeutung aufgeladen, die sich mit dem Verklingen des letzten Tons sogleich auflösen. „Alles ist ganz genau das, wonach es aussieht“, leitet Pianist Bendix Dethleffsen den Abend ein, der Werke von Beethoven und Bach, von Wagner und Juliette Greco, von Noel Coward und Elvis Costello miteinander verbindet.

Dabei benötigt „Isoldes Abendbrot“ zwingend eine Sängerin wie Anne Sofie von Otter. Die 61-jährige Mezzosopranistin ist eine Künstlerin, die sich uneitel und ohne Angst vor Peinlichkeiten ins Spiel mit Perücken und Kleidung wirft und sich schlichtweg nichts scheißt. Sie besteht nicht nur auf der Bühne mit den Marthaler-Stammschauspielern Raphael Clamer, Ueli Jäggi und Graham F. Valentine, sondern dominiert das Geschehen.

Angesiedelt ist dieses in einer holzbraunen, biederen Hotelbar. Auch ohne seine Stammbühnenbildnerin Anna Viebrock sieht bei Marthaler eine Bühne also nach Viebrock aus, auch wenn diese von Duri Bischoff gestaltet wurde. Dieser stellt als Nukleus des Raumes in die Mitte eine Theke, um welche die Barhocker wie Satelliten um einen Planeten kreisen. Vielleicht ist der Urgrund echter Melancholie ja doch an einer Bar zu finden.

(S E R V I C E - „Isoldes Abendbrot“ von Christoph Marthaler im Rahmen der Wiener Festwochen als Koproduktion mit der Staatsoper Hamburg und dem Theater Basel im Museumsquartier, Museumsplatz 1, 1070 Wien. Bühne: Duri Bischoff, Kostüme: Sara Kittelmann. Mit Anne Sofie von Otter, Raphael Clamer, Ueli Jäggi, Graham F. Valentine und Bendix Dethleffsen. Weitere Aufführung heute, Samstag. www.festwochen.at)