„Zur schönen Aussicht“: Sommerspiele Sitzenberg wagen sich an Horvath

Sitzenberg-Reidling (APA) - Die Sommerspiele Schloss Sitzenberg - erstmals unter der alleinigen Intendanz von Martin Gesslbauer - haben am F...

Sitzenberg-Reidling (APA) - Die Sommerspiele Schloss Sitzenberg - erstmals unter der alleinigen Intendanz von Martin Gesslbauer - haben am Freitagabend mit der Premiere der Komödie „Zur schönen Aussicht“ von Ödön von Horvath den sommerlichen Theaterreigen in Niederösterreich eröffnet. Fürwahr kein geringes Wagnis, denn Horvaths bitter-galligem Humor ist mit gängigen Mitteln des Boulevards nicht beizukommen.

Das 1926 entstandene Stück wurde erst 1969 von Gerald Szyszkowitz in Graz uraufgeführt - mit Kalibern wie Herwig Seeböck, Wolfram Berger und Branko Samarovski. Im Programmheft erinnert sich Szyszkowitz an die Mühsal, dem spröden Werk stimmige Gestalt abzuringen. Das Ausmaß der Herausforderung war auch Reinhard Hauser bewusst, der die Sitzenberger Aufführung inszeniert hat. Horvath, so Hauser, fordere „höchstes handwerkliches Können“, seine Figuren dürfe man weder karikieren noch persiflieren, denn es gehe um Charaktere und nicht um Typen.

Kluge Einsichten und Vorsätze - doch leider nicht stringent eingelöst. In Gesslbauers Bühnenbild, das die schäbige Atmosphäre eines heruntergekommenen Hotels gut vermittelt, tummeln sich denn doch eher die Typen und weniger die Charaktere. Dennoch gelingen einige achtbare Rollengestaltungen. Etwa Anna Sophie Krenn als junge Christine, von den Männern erst abgewiegelt und dann geldhalber umschwärmt, die in ihrer Opferrolle dem übermäßigen Outrieren widersteht und dadurch gewinnt. Oder Marcus Strahl, der den brutalen Chauffeur Karl alias Herkules Kaugummi kauend und mit bulliger Präsenz verkörpert.

Als Ada Freifrau von Stetten, die als zunächst einziger Gast die Belegschaft des Hauses tyrannisiert, beweist Edith Leyrer zumindest Mut, indem sie im zweiten Teil die Mireille-Mathieu-Perücke ablegt und schonungslos die Tragödie des Alterns zur Schau stellt. Ihr obliegt auch der wunderbarste Satz des Stücks: „Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“ Irgendwie symptomatisch für die gesamte Inszenierung: Man wird das Gefühl nicht los, dass diese hier so merkwürdig uneinheitlich wirkende Geschichte möglicherweise ganz anders und überzeugender funktionieren müsste.

Immerhin schwinden die anfänglichen Leerläufe nach der Pause, es wird spannender, die Versuchung zum Klamauk lässt nach. Die schöne Aussicht kann man bei Schönwetter in jedem Fall genießen: von der Anhöhe des Schlosses hinunter ins Tullnerfeld.

Bei den Sommerspielen Schloss Sitzenberg wird heuer auch ein Kindermusical geboten: „Die Geggis“ nach Mira Lobe mit der Musik von Erich Meixner sind am 4. und 25. Juni im Pfarrstadel zu erleben. Dort präsentieren auch Martin Gesslbauer und Andreas Sauerzapf am 19. Juni eine kabarettistische Matinee „Gesslzapf und Sauerbauer“.

(S E R V I C E - Sommerspiele Schloss Sitzenberg: Ödön von Horvath, Zur schönen Aussicht. Regie: Reinhard Hauser, mit Anna Sophie Krenn, Edith Leyrer, Michael Duregger, Gerhard Dorfer, Gerhard Karzel, Michael Schefts, Marcus Strahl, Anton Öllerer. Vorstellungen bis 26. Juni, Tickets und Information: Tel. 0664/9490803, www.sommerspiele-sitzenberg.at)