Schluss mit Protest: Grillo-Partei muss jetzt Regierungstalent zeigen

Rom (APA) - Mit einem Triumph bei den Bürgermeister-Stichwahlen in Rom und Turin feiert die europakritische Fünf-Sterne-Bewegung einen überr...

Rom (APA) - Mit einem Triumph bei den Bürgermeister-Stichwahlen in Rom und Turin feiert die europakritische Fünf-Sterne-Bewegung einen überraschend klaren Doppelerfolg mit zwei jungen Frauen an der Spitze. In Rom setzte sich die Fünf Sterne-Spitzenkandidatin Virginia Raggi mit einer zwei Drittel-Mehrheit durch und rückt zur ersten Bürgermeisterin der Ewigen Stadt auf.

In Turin entthronte die 31-jährige Unternehmerin Chiara Appendino den seit fünf Jahren amtierenden Bürgermeister und Schwergewicht der Linken, Piero Fassino, bei einer spannenden Stichwahl. Das ist ein schwerer Schlag für die Mitte-links-Allianz, die seit 23 Jahren die piemontesische Hauptstadt regierte. Fassino hatte eigentlich damit gerechnet, bereits im ersten Wahlgang die notwendige 50-Prozent-Marke zu knacken, musste sich aber mit 41,8 Prozent zufriedengeben und in die Stichwahl ziehen, die er mit einem Vorsprung von elf Prozent angetreten hatte.

Bis zum frühen Morgen feierten Anhänger der 2009 als Protestinitiative ins Leben gerufenen populistischen Fünf Sterne-Bewegung den Wahlerfolg. Bewegungsgründer und Starkabarettist Beppe Grillo schrieb auf seinem Blog: „Es ist ein historischer Tag, von heute an ändert sich alles. Jetzt sind wir dran. Und das ist erst der Anfang.“ Bisher hatte Grillos „Movimento Cinque Stelle“ lediglich einige mittelgroße Städte regiert. In Rom und Turin muss die Protestbewegung beweisen, ob sie auch regierungsfähig ist.

Eine Herkulesaufgabe erwartet die zierliche und politisch unerfahrene Raggi, die das Ruder der seit neun Monaten führungslosen Hauptstadt übernimmt. Ein Schuldenberg von 25 Milliarden Euro lastet auf Rom, das in den vergangenen Monaten mit dem Vorwurf mafiöser Unterwanderung des Gemeinderats konfrontiert wurde. Die Gemeinde könnte ohne Unterstützung der Zentralregierung bald nicht mehr in der Lage sein, die Nahverkehrs- und Müllabfuhrgesellschaft zu finanzieren. Ein veraltetes öffentliches Verkehrssystem, Kriminalität und mangelnde Hygiene sind Notstände, mit denen sich die neue Bürgermeisterin prioritär auseinandersetzen muss. Auch wachsende Armut nach Jahren der Krise, Arbeitslosigkeit und massive, ungeregelte Migrationswelle setzen der Ewigen Stadt enorm zu.

Seit November wird die Metropole von Sonderverwalter Francesco Paolo Tronca regiert. Nach einem Skandal um mit einer Kreditkarte der Gemeinde getätigte private Ausgaben hatte der im Juni 2013 gewählte Bürgermeister Ignazio Marino im Oktober den Hut nehmen müssen. Roms Bürgermeister zu sein könnte einer politischen Karriere schwer schaden. Kein Wunder auch, dass die Parteien eher unbekannte Kandidaten wie Raggi und den farblosen Mitte-links-Kandidaten Roberto Giachetti ins Wahlrennen geschickt haben.

Mit einem Wahlprogramm, in dem nach zahllosen Korruptionsskandalen moralische Erneuerung, Transparenz, Effizienz in der öffentlichen Verwaltung und Entbürokratisierung versprochen wird, hatte sich die politisch relativ unerfahrene Raggi in einem zähen Wahlkampf behaupten können. Sie konnte dabei die Stimmen der vielen, von den Traditionsparteien verdrossenen Römern erobern, die in der jungen Mutter eines siebenjährigen Buben eine Aussicht auf einen politischen Neubeginn sehen. Auch von der starken Stimmenenthaltung in Rom, die bei fast 50 Prozent lag, profitierte die Fünf Sterne-Kandidatin, denn vor allem die Wähler der Traditionsparteien hielten sich von den Urnen fern.

Ob Raggis knapp zweijährige Erfahrung als Gemeinderätin genügen wird, die zahllosen Probleme Roms zu meistern, bezweifeln ihre Gegner jedoch stark. Die junge Rechtsanwältin lässt sich aber nicht entmutigen und feiert ihren Triumph. Sie sprach von einem „historischen Moment“. Rom werde jetzt nach Jahren der Korruption und Misswirtschaft endlich das Blatt wenden.