Justiz und Kriminalität

Vor Urinieren abgestürzt: Verletzte klagt

Landesgericht Innsbruck.
© TT/Thomas Böhm

Ein kniffliger Fall beschäftigt das Landesgericht: Wie weit können Sicherungspflichten auf Privatgrund gehen?

Von Reinhard Fellner

Innsbruck –Das Leben schreibt viele Geschichten – Ende April 2014 auch diese: Es war schon dunkel, als eine Tirolerin während der Autofahrt ein dringendes Bedürfnis verspürte. Schon wenig später war es unaufschiebbar geworden – ein Halt vor einem Firmenareal folgte.

Außerhalb der Betriebszeit war dort kein Mensch mehr, dafür fanden sich auf einem Grünstreifen zwar Schilder, die das Betreten des Grundstücks untersagten, dahinter dafür aber auch jede Menge Büsche. An sich also ein idealer Ort, um dem dringenden Geschäft nachzugehen.

Doch noch kurz vor der Verrichtung verspürte die Frau plötzlich ein Gefühl der Leere, trat ins Nichts und stürzte 3,4 Meter über eine Betonwand in die Tiefe. Die Folgen des nächtlichen Ausflugs auf das Firmenareal waren dramatisch: ein Wirbelbruch.

Wie das Innsbrucker Landesgericht auf Anfrage der Tiroler Tageszeitung bestätigte, beschäftigt der Mauersturz nun schon bald einen Zivilrichter. Macht die Frau gegenüber dem Inhaber des Firmenareals doch geltend, dass dieser gegen seine Sicherungspflichten verstoßen habe. Dadurch hafte er der Verunglückten für die schwere Verletzung und spätere Dauerfolgen. Klagsbetrag: 25.000 Euro.

Der Unternehmer argumentiert klar dagegen. Kein Firmeninhaber müsse damit rechnen, dass nächtens Betriebsfremde das Firmenareal betreten. Zudem habe es vorab auch niemals in Bescheiden behördliche Auflagen zur Absicherung der Mauer gegeben. Außerdem sei das Betriebsgelände zur Straße auch noch einige Meter zurückversetzt. Letztlich habe sich die Frau mit schlechtem Schuhwerk in ein abschüssiges Gelände begeben, auf dem sie einfach nichts verloren hatte.

Nach einem Lokalaugenschein aufgrund des Unfalls ist nun mittlerweile jedoch sehr wohl behördlich aufgetragen worden, die unübersichtliche Stelle abzusichern.

Das Verfahren ist besonders interessant, da es letztlich zeigen wird, wie weit Sicherungspflichten im öffentlich zugänglichen Raum – auch wenn es sich um Privatgrundstücke handelt – mittlerweile gehen. Gilt doch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch prinzipiell, dass der, der eine Gefahr schafft, vor dieser auch in vernünftiger Art und Weise schützen muss. Andererseits kann sich der, der den Schranken eines Weges missachtet, nicht darauf berufen, dass er dort zu Schaden gekommen war.

Falls die Klage deshalb den Weg bis zum Obersten Gerichtshof findet, steht ein richtungsweisendes Urteil bevor, auf das insbesondere alle Wirtschaftstreibenden eine Auge haben werden. Ein Kenner des Falls und der Materie kommentierte vorab so: „Schwierig. Was wäre, wenn da ein kleines Kind beim Laufen heruntergefallen wäre? Aber kann sich künftig der Einbrecher beschweren, wenn er von so einer ungesicherten Mauer gestürzt ist?“