BP-Wahl - Briefwahl-Auszählung ohne Beisitzer vielerorts Usus
Wien (APA) - Einen lockeren Umgang mit Vorschriften und der eigenen Unterschrift haben die ersten Zeugen bei der Verhandlung des Verfassungs...
Wien (APA) - Einen lockeren Umgang mit Vorschriften und der eigenen Unterschrift haben die ersten Zeugen bei der Verhandlung des Verfassungsgerichtshofes zur Anfechtung der Bundespräsidentenwahl zutage gebracht. So bestätigte sich am Montag der Verdacht, dass vielerorts die Briefwahl-Kuverts bereits einen Tag zu früh geöffnet wurden. Die Beisitzer erschienen tags darauf zumeist gar nicht zur Auszählung.
Um den Vorwürfen der FPÖ auf den Grund zu gehen, treibt der Verfassungsgerichtshof (VfGH) einen noch nie da gewesenen Aufwand: Von Montag bis Donnerstag werden Beamte und Wahlbeisitzer öffentlich befragt - vor allem aus jenen 17 Bezirken, in denen die FPÖ eine vorzeitige Öffnung und teilweise sogar Auszählung der Briefwahlstimmen behauptet. Gleich eingangs machte Präsident Gerhart Holzinger klar, dass es kommende Woche einen weiteren Verhandlungsblock geben wird, bei dem die Verfahrensparteien dann ausführlich zu Wort kommen.
Die FPÖ hat in ihrer Anfechtung angebliche Unregelmäßigkeiten in 94 der 117 Stimmbezirke angeführt. Aus 20 Wahlbezirken haben die Richter nun Zeugen geladen - darunter auch jene 17, in denen die Wahlkarten vorzeitig und ohne Anwesenheit der Beisitzer (also der Wahlzeugen der Parteien) geöffnet wurden. Diese Fälle gelten als problematisch, weil das Gesetz die Öffnung und Auszählung frühestens am Montag nach der Wahl um 9.00 Uhr vorsieht.
Die Zeugenbefragungen am Montag brachten vor allem einen erstaunlich lockeren Umgang der Wahlbehörden mit diesen gesetzlichen Vorschriften zutage. Im Bezirk Südoststeiermark wurden die Briefwahlstimmen schon am Wahlsonntag bis Mitternacht ausgezählt, und auch in Villach war die Auszählung am Montag um 9.00 Uhr schon abgeschlossen. In Innsbruck-Land wurden die Stimmen zwar erst am Montag ausgezählt, aber bereits am Wahlsonntag geöffnet. Ebenso in Kitzbühel und Schwaz.
Die meisten Behördenleiter begründeten die vorzeitige Öffnung der Kuverts mit Zeitmangel, oft auch mit medialem Druck. Dennoch erschien das Gros der Beisitzer am Montag erst gar nicht wie vorgesehen um 9.00 Uhr. „Dass wir nicht anwesend sein müssen, das haben wir am Sonntag einstimmig beschlossen“, gab etwa ein Beisitzer aus Schwaz an. In Kitzbühel war ein einziger Beisitzer am Montag angetreten. Den Rest erledigten oft Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaften. Erst zur Bestätigung des Beschlusses am frühen Abend bemühten sich die meisten Beisitzer ins Amtsgebäude.
Einer der Hauptvorwürfe: In den Protokollen der Wahlbehörden wurde die vorzeitige Öffnung und Auszählung der Stimmen nicht vermerkt. Lediglich in Villach verlangte eine FP-Beisitzerin, die Geschehnisse zu Protokoll zu nehmen. Die Frau, vom Beruf Reinigungskraft, gab vor Gericht an, ihr sei dann von den Juristen beschieden worden, dass das Protokoll nicht veränderbar sei. Stattdessen habe es einen Aktenvermerk gegeben, den sie aber als „Frechheit“ empfunden habe, weil auf die von ihr aufgezeigten Formalfehler darin nicht eingegangen worden sei.
In allen anderen Fällen wurden die (falschen) Protokolle anstandslos unterschrieben - und mehr. Denn selbst Anwesenheit wurde bestätigt, obwohl diese nicht stattgefunden hatte, wie in Villach-Land. Dort hat ein Beisitzer gleich zwei Tage bestätigt, obwohl er nur an einem anwesend gewesen sei, wie er aussagte. Gelesen habe er das diesbezügliche Protokoll nicht, ihm sei auch nur die letzte Seite vorgelegt worden. Die erste sei „in irgendeiner Schreibstube zur Korrektur“ gelegen. „Das ist die Runde gegangen, das hat kein Mensch gelesen“, berichtete ein anderer Beisitzer aus Schwaz.
Anhaltspunkte für einen tatsächlichen Missbrauch durch die Wahlbehörden nannten aber selbst die Beisitzer der FPÖ nicht, sondern betonten sogar ihr „unerschütterliches Vertrauen zur Bezirksbehörde“. Der Zugang zu den Kuverts sei über Nacht verschlossen gewesen, sagte etwa die stellvertretende Wahlleiterin aus Kitzbühel. Zudem hätten sich leere Stimmzettel ohnehin in einem anderen Gebäude befunden: „Da müsste einer Spiderman sein.“
Dass Wahlbeisitzer Protokolle unterschrieben haben ohne sie zu lesen, sei zwar „bedenklich“, die Frage sei aber von Strafrichtern und nicht vom VfGH zu klären, sagte die Anwältin von Wahlsieger Alexander Van der Bellen, Maria Windhager, zur APA. Ihr Eindruck nach den ersten Zeugen sei, dass sich die Wahlleiter in der Bezirken bei ihrem Vorgehen schon was gedacht haben. Manipulationen konnte sie nicht erkennen.
Der Aussage entschlagen hat sich am ersten Tag kein Zeuge. Dies wäre den Mitgliedern der Wahlbehörden möglich, damit sie sich nicht selbst belasten. Denn die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt nach Anzeigen des Innenministeriums wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch und „Falsche Beurkundung und Beglaubigung im Amt“ (Paragraf 311 des Strafgesetzbuchs). Am Dienstag wird die Verhandlung vor dem VfGH fortgesetzt. Zeugeneinvernahmen aus den Bezirken Wien-Umgebung, Landeck, Hermagor, Wolfsberg, Hollabrunn und Freistadt sind geplant. Zudem wurden für die Sitzung drei weitere Zeugen nachträglich geladen.