FPÖ-Wahlanfechtung

Vorzeitiges Öffnen von Wahlkarten im Visier des VfGH

Die Verfassungsrichter haben über die Wahlanfechtung der FPÖ zu entscheiden. Das Urteil soll nach Möglichkeit vor dem geplanten Angelobungstermin Van der Bellens verkündet werden.
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Auch der zweite Verhandlungstag förderte einen lockeren Umgang mit Vorschriften bei der Auszählung der Briefwahlstimmen zutage. Vorwürfe des FPÖ-Beisitzers in Landeck blieben jedoch unbestätigt.

Wien – Vor allem das vorzeitige Öffnen von Wahlkarten in einigen Bezirken hat den Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Dienstag beschäftigt. Dass Briefwahlstimmen schon vor Montag, 9 Uhr, geöffnet bzw. teils ausgezählt wurden, wurde von den Zeugen teils mit Zeitdruck, teils mit (gesetzeswidrigen) Beschlüssen begründet. Mit dem Behördenleiter aus Freistadt (OÖ) entschlug sich erstmals ein Zeuge der Aussage.

Die bis Donnerstag anberaumte Zeugeneinvernahme bestätigte am Tag zwei der öffentlichen VfGH-Sitzung einen lockeren Umgang mit dem Bundespräsidentenwahlgesetz. Die 14 Verfassungsrichter zerpflückten das Vorgehen der Leiter der Bezirkswahlbehörden, meist die Bezirkshauptmänner. Jener aus Hermagor, ein Jurist, wurde mehrmals gefragt, wie er annehmen konnte, dass sein Handeln rechtskonform sei. Auch zum ungenauen Umgang mit Niederschriften, Protokollen und Ladungen sowie bei Blanko-Unterschriften wurde kritisch nachgefragt. Dass „schlampig“ gearbeitet worden sei, ließ der Bezirkshauptmann aus Hermagor aber nicht gelten.

Wahlleiter von Freistadt entschlug sich der Aussage

Der Wahlbehördenleiter des Bezirks Freistadt war dann der erste Zeuge, der sich der Aussage entschlug. Er fürchte strafgesetzliche Folgen und wolle sich nicht selbst belasten, sagte der in Begleitung seines Anwalts erschienene Jurist. Zuvor hatte ein FPÖ-Beisitzer berichtet, dass die Wahlkarten in Freistadt vorzeitig ausgezählt worden waren. VfGH-Präsident Gerhart Holzinger zeigte sich verärgert und schickte den Zeugen nach einer Sitzungsunterbrechung nach Hause, allerdings mit dem Vorbehalt, in noch einmal zu laden.

Tag 1: Zeugen aus Tirol bestätigten lockere Handhabung

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Auch der oberste Wahlleiter im Innenministerium, Robert Stein, musste sich für Vorgehen in den einzelnen Stimmbezirken rechtfertigen. „Es gibt hier mehrere Fälle von sogenannten ‚Schlampereien‘, aber andere Bezirke haben gezeigt, dass man eine vollkommen gesetzeskonforme Auszählung vollziehen kann“, sagte Stein. Er räumte aber ein, jahrelang nur Wahlakte gesehen zu haben. „Darin war immer alles korrekt abgebildet.“ Tatsächlich wurde in den Protokollen stets ein gesetzeskonformes Vorgehen bestätigt, auch wenn dies nicht der Realität entsprochen hat, wie die Verhandlung offenbarte.

Zu Beginn ging es am Dienstag um den Stimmbezirk Wien-Umgebung. Dort hat es offenbar den Wunsch der niederösterreichischen Landeswahlbehörde gegeben, die Briefwahlstimmen rascher auszuzählen als beim ersten Wahldurchgang. Da sich gleichzeitig die Zahl der Briefwahlstimmen von rund 6.500 auf 11.000 erhöht hatte, hat man schon am Sonntag mit „Vorarbeiten“ begonnen, allerdings ohne die Wahlbeisitzer (Wahlzeugen der Parteien) zu informieren. Im Kärntner Bezirk Wolfsberg hatte man aus Effizienzgründen eine Dreiviertelstunde zu früh (und ohne Beisitzer) mit der maschinellen Wahlkartenöffnung begonnen. Dies sei „im Sinne der Wahlbeisitzer“ erwünscht, Druck dafür habe es nicht gegeben, so der Bezirkshauptmann. Für Verwirrung sorgte eine für Sonntag protokollierte Sitzung, die nicht stattgefunden hatte.

FPÖ-Vorwürfe in Landeck blieben unbestätigt

Im Stimmbezirk Landeck ließen sich die FPÖ-Anschuldigungen nicht bestätigen. Der freiheitliche Wahlbeisitzer hatte im Nachhinein erklärt, dass die Wahlkarten der Briefwähler zu früh geöffnet worden seien. Die Beisitzer der anderen Parteien sagten aus, dass es keine Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder Formalfehler gegeben habe. „Ich war um 20 vor 9 dort, da hat‘s geheißen: ‚Du bist zu früh, wir dürfen vor 9 nicht anfangen.‘ Dann bin ich halt frühstücken gegangen“, sagte die rote Beisitzerin. „Wir haben am Sonntag noch diskutiert, warum der Gesetzgeber erst am Montag ab neun Uhr das Auszählen der Wahlkarten erlaubt“, sagte der ÖVP-Wahlzeuge. Man habe sich das nicht recht erklären können, es sei aber entschieden worden, dass man sich daran halte.

Unklar war auch, ob der FPÖ-Beisitzer überhaupt um 9.00 Uhr bereits anwesend war. Die Zeugen gaben übereinstimmend an, dass er erst um 11.30 Uhr erschienen sei. Der Freiheitliche selbst war nicht vor Gericht erschienen. Laut einem Sprecher des VfGH konnte die Ladung wegen Urlaubs nicht zugestellt werden. Der VfGH werde entscheiden, ob er neu geladen wird.

Auch in Hollabrunn (NÖ) wurde schon kurz vor 9.00 Uhr „geschlitzt“, dort allerdings in Anwesenheit der Beisitzer. Den Abschluss machte die Bezirkswahlbehörde Freistadt (OÖ), wo den Beisitzern am Montag nach der Stichwahl um 9.00 Uhr die schon fertig ausgezählten Wahlkarten vorgelegt wurden. Ausgezählt wurde dort bereits am Sonntag um 17.00 Uhr, dazu hatte die Behörde auch eingeladen. Ähnlich sei es auch schon bei der Europawahl abgelaufen, so der von der FPÖ gestellte Beisitzer.

Manipulationen „Tür und Tor“ geöffnet

Keiner der Zeugen am Dienstag ging von Manipulationen aus, für eine freiheitliche Beisitzerin seien solchen aber „Tür und Tor“ geöffnet worden. Der Grüne Beisitzer Wolfgang Essl erklärte nach seiner Zeugenaussage in Interviews, Verständnis für die Anfechtung der FPÖ zu haben. Es sei demokratiepolitisch wichtig, Unregelmäßigkeiten aufzuklären. Das derzeitige Prozedere zum Auszählen der Briefwahlstimmen sei nicht optimal.

Im Gegensatz zum ersten Verhandlungstag, an dem es darum ging, dass in einigen Bezirken die Beisitzer der Auszählung der Briefwahlstimmen gänzlich fernblieben oder nur für die anschließende Sitzung geladen wurden, waren in den am Dienstag unter die Lupe genommenen Bezirken die Wahlbeisitzer am Tag nach der Wahl großteils anwesend.

Für Mittwoch sind Zeugeneinvernahmen aus den Bezirken Liezen, Bregenz, Kufstein und Graz-Umgebung geplant. Auf Basis der bisherigen Befragungen wurden zudem vier zusätzliche Zeugen geladen, darunter der Villacher Bürgermeister Günther Albel (SPÖ). In seinem Bezirk war die Auszählung der Briefwahlstimmen am Montag um 9 Uhr schon abgeschlossen. Wann die nachträglich geladenen Zeugen befragt werden sollen, ist noch nicht bekannt. (APA/TT.com)