Grillo fordert Renzi heraus: Fünf Sterne-Partei will Italien regieren

Rom (APA) - Nicht nur Protestbewegung: Nach dem Wahltriumph in Rom und Turin will Italiens europakritische Fünf Sterne-Bewegung ihre Regieru...

Rom (APA) - Nicht nur Protestbewegung: Nach dem Wahltriumph in Rom und Turin will Italiens europakritische Fünf Sterne-Bewegung ihre Regierungsfähigkeit beweisen und setzt sich hohe Ziele: Die Partei des Starkabarettisten Beppe Grillo fordert Premier Matteo Renzi heraus und will die Führung Italiens übernehmen. „Wir machen das Unmögliche möglich“, lautet Grillos Slogan.

Die Fünf Sterne-Bewegung siegte mit überwältigender Mehrheit mit zwei jungen Kandidatinnen im Bürgermeisterduell in Rom und Turin. „Das sind keine Proteststimmen, sondern Stimmen des Wechsels. Ehrlichkeit und Transparenz werden in Italien wieder Mode. Wir werden unsere Gegner zwingen, anständige Personen zu werden. Das wird der große Sieg unserer Bewegung sein“, erklärte der Komiker aus Genua, der die Fünf Sterne-Bewegung 2009 als Protestinitiative gegen die als korrupt bewertete politische Elite gegründet hatte.

Grillo kennt politisch keine Grenzen. Er und der im April verstorbene Initiator der Gruppierung, Gianroberto Casaleggio, hätten sich eine wunderbare“ Mission impossible“ gesetzt: Italien zu regieren. „Unsere Gegner sagten uns, dass wir ohne Allianzen mit den etablierten Parteien nirgendwo hinkommen würden. Sie täuschten sich. Das Gewissen der Italiener ist erwacht. Ein neues Italien ist möglich und wir steuern darauf zu“, jubelt der 67-Jährige Komiker mit dem wilden Grauhaar.

Zwei Jahre lang hat die Fünf Sterne-Bewegung nun Zeit, um in Rom und Turin ihr administratives Talent unter Beweis zu stellen. Vor allem in Rom steht die frisch gebackene Bürgermeisterin Virginia Raggi vor einer Herkulesaufgabe. Italiens Hauptstadt ist hoch verschuldet, die Infrastruktur sanierungsbedürftig und der Nahverkehr höchst ineffizient. Auf Raggi warten daher immense Herausforderungen, vor denen wesentlich abgebrühtere Politiker als die Rechtsanwältin zurückschrecken würden. Schaffen es Raggi und ihre Truppe aus Fünf Sterne-Stadträten, die angeschlagene Ewige Stadt wieder auf die Beine zu stellen, so wachsen die Chancen der Gruppierung auf einen Wahlsieg bei den nächsten Parlamentswahlen , die spätestens im Frühjahr 2018 stattfinden, enorm.

Einen Premierkandidaten hat Grillo bereits. Es handelt sich um den 29-jährigen Anwalt Luigi Di Maio, inoffizieller Anführer des fünfköpfigen Direktoriums der Fünf Sterne-Bewegung. Als Vizepräsident der Abgeordnetenkammer hat der Neapolitaner Erfahrung in den Institutionen am Tiber gesammelt. Im Gegensatz zum wild gestikulierenden Grillo zeigt sich Di Maio ruhig, diplomatisch und ist ein talentierter politischer Stratege. Sollte Di Maio zum Premier aufrücken, würde sich Grillos Traum konkretisieren: Die Entmachtung der Traditionsparteien und die Übernahme der Verantwortung durch die Bürger.

Basisdemokratie ist der Grundbegriff, auf den sich die Fünf Sterne-Bewegung stützt. In der Gruppierung werden die Kandidaten von keiner Parteizentrale, sondern von den Aktivisten per Internet gewählt. Die Position zu einzelnen Themen wird ebenfalls durch Konsultationen im Netz bestimmt. Keine starre Ideologie, sondern auf einer Mischung aus Umweltpolitik, Liberalismus in der Wirtschaft, sozialer Verantwortung und Kritik an etablierten Machtlobbys basiert das Fünf Sterne-Credo. Rechts und links seien längst überholte Begriffe. Entscheidend sei vielmehr, konkrete Probleme anzupacken und vernünftig zu lösen, unterstreicht Grillo.

Die antieuropäischen Slogans des Kabarettisten irritieren den jungen Premier Renzi, der auf gute Beziehungen zu Brüssel setzt, um die EU zu überreden, die strengen Sparkriterien aufzulockern. Den Fiskalpakt und das Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushalts hält Grillo für „Blödsinn“, der Euro sei für Italien wie „ein Strick um den Hals“. Ein Referendum über den Euro gehört ebenso zu seinem Programm, wie die Einführung von Eurobonds, einem Mindesteinkommen für alle Italiener, sowie eine Senkung des Steuerdrucks.

Das ist Musik in den Ohren vieler, von Jahren der Krise frustrierter und geschwächter Italiener, die immer noch nicht den ersehnten Wirtschaftsaufschwung zu spüren bekommen. Vor allem bei der Jugend, bei der europaweit eine der höchsten Arbeitslosenquoten vorliegt, und deren berufliche Zukunftsperspektiven immer ungewisser erscheinen, wächst der Erfolg Grillos.

„Wenn in Italien trotz der akuten Rezession der letzten Jahre keine sozialen Revolten ausgebrochen sind, ist dies nur uns zu verdanken. Wir haben den Bürgern klar gemacht, dass mit uns Hoffnung auf eine Erneuerung dieses Landes besteht“, meint Grillo. Auf den Vorwurf, er lenke seine Bewegung eher diktatorisch, weil er von seinen Parlamentariern blinde Gefolgschaft verlange und Abweichler unter ihnen gnadenlos ausschließe, reagiert Grillo gelassen: „Nur mit Zusammenhalt kommen wir ans Ziel“.