Der aufrichtige Lügner
In seinem letzten Film zelebriert der im Jänner verstorbene Ettore Scola die Erinnerung an seinen guten Freund und noch besseren Flunkerer Federico Fellini.
Innsbruck –Den Oscar für seine Leistungen als begnadeter Flunkerer haben Ettore Scola (Giulio Forges Davanzati) und Ruggero Maccari (Emiliano De Martino) Federico Fellini (Tommaso Lazotti) bereits verliehen, bevor er sich 1957 auf den Weg nach Los Angeles machte, um dort für „La Strada“ seinen ersten Academy Award zu erhalten. Bis 1993 sollten vier weitere Oscars folgen.
Aber das war an jenem Abend noch Zukunftsmusik. Fellini interessiert sich für ein entstehendes Filmprojekt Scolas – und Maccari für die Kellnerin. Es wird geflachst und ein letztes Glas getrunken. Dann machen sich die drei jungen Männer, die sich als Karikaturisten und Pointenlieferanten bei der satirischen Zeitung Marc’Aurelio kennen gelernt haben, auf ihren Weg in die Nacht. Und das Licht geht an – die kleine Bar wird als Kulisse im legendären „teatro 5“ der römischen Cinecittà enttarnt. Hier, in der bis heute größten Studiohalle Europas, hat Fellini lange Jahre gearbeitet – nicht nur „Harry’s Bar“ in „La Dolce Vita“ und Casanovas Venedig entstanden hier, sondern auch jenes Plastikplanenmeer, über das sein „Schiff der Träume“ schipperte. Nach Fellinis Tod am 31. Oktober 1993 wurde er im „teatro 5“ aufgebahrt, Zehntausende Italiener erwiesen dem Maestro dort die letzte Ehre.
Es lag nahe, dass Ettore Scola – auch er einer der Großen des italienischen Kinos – nach Cinecittà ging, um seine Fellini-Hommage „Che strano chiamarsi Federico“ zu drehen – und damit auch die Möglichkeiten handgemachter Effekte auszustellen. „Che strano chiamarsi Federico“ ist auch ein Film über diese Tricks und Täuschungen geworden, über den Kern des Kinos also. Ganz im Sinne Fellinis wird hier in aufrichtiger Absicht gelogen. So wie Fellini seine Schauspieler vor laufender Kamera mit drastischer Mimik zählen ließ. Denn es ging nicht darum, was gesagt wurde. Das mit dem Text konnte man auch noch regeln, wenn die Szenen abgedreht sind. Wichtig ist das, was es zu sehen gibt – und echt ist auch das nicht.
Im Jänner 2016 ist auch Scola gestorben. „Che strano chiamarsi Federico“, der in Italien bereits Ende 2013 zu sehen war, ist sein letzter Film. „Scola erzählt Fellini“ lautet der Untertitel. Aber natürlich erzählt Scola auch viel von Scola. Es ist die Geschichte einer Freundschaft. Schließlich kannte, schätzte und mochte man sich. Scola bekniet Fellini in „Wir haben uns sehr geliebt“ (1974), sich selbst zu spielen. Auch Mastroianni (Ernesto D’Argenio) habe bereits zugesagt. Fellini willigt ein, verbittet sich aber Aufnahmen seines schütter gewordenen Haupthaares. Scola filmt ihn trotzdem von hinten. Der gegenseitigen Wertschätzung hat es nicht geschadet.
Nächtelang fahren Scola und Fellini durch Rom, spüren Geschichten nach, die man sich aneignen könnte und verfilmen könnte. Es ist eine Meister-Schüler-Situation: Fellini fordert Scola auf zu erzählen – und spricht dann selbst. Mitunter in kunstvoll mit den Spielszenen verwobenen echten Mitschnitten.
Besonders stark aber sind jene Szenen, die vom Werden der Künstler erzählen: In elegantem Schwarz-Weiß zeigt der Film die Redaktion des Marc’Aurelio – und deutet dabei nicht nur an, was es bedeutet, in Mussolinis Italien Satire zu machen. Die subversive Kraft, die die Meisterwerke des italienischen Nachkriegskinos ausmachte, wurde auch aus diesem Klima der offiziellen Denkverbote und versteckten Scherze geboren.
Im Rahmen der Filmreihe „Nuovo Cinema Italia“ ist „Che strano chiamarsi Federico“ heute Mittwoch um 19.10 Uhr und am Mittwoch, 29. Juni, um 20.15 Uhr im Leokino zu sehen. (jole)
Nuovo Cinema Italia
Neben Che strano chiamarsi Federico, der die Filmreihe „Nuovo Cinema Italia" heute Abend eröffnet, stehen folgende Filme auf dem Programm:
I nostri ragazzi.
Regie: Ivano De Matteo.Donnerstag, 23. Juni, 19.10 Uhr; sowie: Donnerstag, 30. Juni, 20.15 Uhr. Jeweils im Leokino.
La terra dei santi.
Regie: Fernando Muraca. Freitag, 24. Juni, 20.15 Uhr im Leokino; (Wiederholung am Freitag, 1. Juli).
Smetto quando voglio.
Regie: Sydney Sibila. Montag, 27. Juni, 20.15 Uhr im Leokino; (Wiederholung am Montag, 4. Juli).
Torneranno i prati. Regie: Paolo Fresu. Dienstag, 28. Juni, 20.15 Uhr im Leokino. (Wiederholung am Dienstag, 5. Juli). Informationen: www.leokino.at