Fußball statt Berufsverkehr, Islands Wirtschaft steht still
Fast jeder zehnte Isländer ist zur Fußball-Europameisterschaft nach Frankreich gereist. Die Wirtschaft des Landes läuft derweil auf Sparflamme.
Paris, Reykjavik –Islands erste Qualifikation für eine Fußball-Europameisterschaft hat in dem kleinen Inselstaat eine riesige Euphoriewelle ausgelöst. Kein Wunder, haben die Inselkicker sich doch souverän gegen Fußballnationen wie die Niederlande und die Türkei durchgesetzt. Mehr als 26.000 Isländer – rund acht Prozent der Bevölkerung – haben sich auf den Weg nach Frankreich gemacht, um ihr Team auch beim heutigen Spiel gegen Österreich zu unterstützen. Bei 330.000 Einwohnern ist das ein deutlicher Bevölkerungsschwund, der selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes hat.
Erforscht hat die Folgen der EURO für die Wirstschaft des Inselstaates der Ökonom Konrad Gudjonsson von der isländischen Arion Bank. Erstmals bemerkbar machte sich demnach das EM-Fieber der Isländer im Februar 2016. Damals seien die Kreditkartenbuchungen nach oben geschnellt. Die Isländer kauften EM-Tickets im Internet um rund 1,7 Millionen Euro, „das sind 0,1 Prozent des isländischen Bruttoinlandsproduktes“, sagt Gudjonsson gegenüber der TT.
Die Auswirkungen auf die Produktivität des Landes durch die Europameisterschaft kann man laut Gudjonsson aber erst in der Nachschau auswerten. Besonders an Spieltagen seien die Straßen jedoch wie leergefegt, erklärt der Ökonom: „Das Geschäft läuft auf Sparflamme.“ Neben den Fans, die nach Frankreich gereist sind, um ihr Nationalteam zu unterstützen, kann sich das isländische Fernsehen über Rekordeinschaltquoten von 70 Prozent freuen. „Wer arbeitet überhaupt noch in unserem Land?“, fragt Gudjonsson.
Die Fußball-Europameisterschaft und die gutgelaunten isländischen Fans seien aber auch eine tolle Werbung für die Vulkaninsel, sagt der Ökonom: „Wenn man sich die Google-Trends ansieht, dann sieht man, dass im Juni eine Rekordzahl an Menschen nach Island gesucht hat. Das bedeutet, viel mehr Menschen interessieren sich für Island. Das könnte sich positiv auf den Tourismus auswirken.“
Auch auf die Frage, warum Islands Fußball so erfolgreich ist, obwohl die Nation so klein ist, kennt Gudjonsson eine Formel: „Fußball ist extrem beliebt. Gemessen an der Bevölkerung hat Island europaweit die meisten Fußballfans“, erklärt der Ökonom, der selbst einen starken Bezug zum Nationalteam hat. Mit dem Star-Stürmer der Isländer, Eidur Gudjohnsen, der früher für Barcelona und Chelsea auf Torjagd gegangen ist, ist Konrad Gudjonsson verwandt.
Gudjonsson wünscht Österreich Glück, „aber nicht zu viel“ (lacht). Natürlich glaubt er an einen Sieg Islands. „Eidur Gudjohnsen wird in der 89 Minute das Tor zum 1:0 schießen“, sagt der Ökonom abschleißend, bevor er sich selbst auf den Weg nach Frankreich macht. (sas, ecke)