Bachmann-Preis - Bastian Schneider hat „auch ein bisschen Schiss“
Klagenfurt/Köln (APA) - Es kommt ganz auf die Perspektive an. „Als Kind war der Boden mein Himmel“, schreibt Bastian Schneider. „Das Schönst...
Klagenfurt/Köln (APA) - Es kommt ganz auf die Perspektive an. „Als Kind war der Boden mein Himmel“, schreibt Bastian Schneider. „Das Schönste daran: Ich konnte ihn immer erreichen.“ Beim Besuch des Wiener Globenmuseums stellt er fest: „Ein Globus macht jeden Menschen zu einem Astronauten.“ Und die Perspektive macht den in Siegen geborenen 35-Jährigen zu einem von bloß drei Bachmann-Preis-Teilnehmern mit Wien-Bezug.
„Ich fühle mich eigentlich mehr als Wiener Autor denn als deutscher Autor“, sagt Schneider, obwohl er erst vor wenigen Tagen nach sechs Jahren Aufenthalt in der österreichischen Bundeshauptstadt nach Köln gezogen ist. In Wien hat er am Institut für Sprachkunst an der Angewandten studiert und als Hörbuchsprecher, Übersetzer und Lektor für den Septime Verlag gearbeitet. Die Übersiedlung habe aus persönlichen Gründen stattgefunden, doch ganz habe er seine Zelte nicht abgebrochen, erzählt er im Telefonat mit der APA. „Ich habe quasi nur das Vorzelt und das Überzelt in Wien abgebrochen, das Innenzelt lasse ich in Wien, um mir die Option offenzuhalten, zurückzukehren.“ Das Wiener WG-Zimmer wird daher vorläufig nicht aufgegeben.
Die eingangs zitierten Sätze stammen aus Schneiders Debüt-Band „Vom Winterschlaf der Zugvögel“, der kürzlich im Wiener Sonderzahl Verlag erschienen ist. Die darin enthaltene Kurzprosa, in der es an Vögeln nicht mangelt und dem Leser förmlich Flügel wachsen, ist teilweise vor drei Jahren im Klagenfurter Literaturkurs entstanden. Damals hat er erstmals in die spezielle Atmosphäre, die zu Sommerbeginn in der Kärntner Landeshauptstadt herrscht, hineinschnuppern können. Dass er „Vom Winterschlaf der Zugvögel“ unmittelbar vor den Tagen der deutschsprachigen Literatur am 28. Juni im Musil-Haus präsentieren werde, sei schon vor der Einladung zum Bachmann-Preis fixiert worden und „doch schön für alle Beteiligten, denn da kann eine gewisse Kontinuität aufgezeigt werden: Literaturkurs, Buch, Bachmann-Preis“.
Sein Text, den er „auf gut Glück“ Juror Stefan Gmünder schickte, sei ganz Bachmann-Preis-untypisch „weder eine Erzählung noch ein Romanauszug noch eine Kurzgeschichte“, sagt Bastian Schneider. „Mein erstes Buch - das sind ja ganz kurze Prosatexte. Ungefähr so geht es weiter, es wird bloß noch kürzer, noch fragmentarischer. Die Einladung hat mich dann sehr gefreut, aber auch ein wenig gewundert. Vielleicht war es von Vorteil, dass es sich abgehoben hat von den anderen Einreichungen.“
Bastian Schneider hat Psychologie und deutsche sowie französische Literatur in Marburg und Paris studiert, ehe er seiner Lebensgefährtin nach Wien folgte und dort ein Sprachkunst-Studium absolvierte. „Das Studium hat mich insofern vorangebracht, als dass ich plötzlich nicht mehr allein war, dass ich mich nicht mehr rechtfertigen musste. Im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen und mit den Lehrenden geht manches schneller.“ So habe er bis vor ein paar Jahren nur Gedichte geschrieben, sei aber irgendwann nicht mehr weitergekommen. „Aber jetzt reicht es mal mit dem Studieren.“ Zum Broterwerb als freier Autor reicht es jedoch nur bedingt. Stipendien sind neben Lesungshonoraren und Lektoratstätigkeiten überlebensnotwendig. „Von den Verkaufszahlen meines Buches kann ich nicht mal einen Monat leben.“
Die Ankurbelung seines Buchverkaufs sei einer der erhofften Effekte seiner Teilnahme am Wettlesen, meint Schneider. Noch vor der Auslosung Mitte kommender Woche habe sich der Bachmann-Preis „schon jetzt für mich ausgezahlt. Es sind viel mehr Leute auf mich aufmerksam geworden. Wenn ich dort einen Preis abstauben kann, wäre das natürlich super.“ Auch gegen das Interesse größerer Verlage hätte er natürlich nichts einzuwenden. „Bisher haben mir die größeren Verlage aber aufgrund der Gattung, die ich bediene, meist abschlägige Antworten erteilt. Wenn man Kurzprosa oder fragmentarische Prosa schreibt, hat man leider in der deutschsprachigen Literatur nicht besonders große Chancen.“ Das Material für das zweite Buch sei so gut wie fertig, eigentlich gäbe es gar keinen Grund für einen Verlagswechsel. „Das Einvernehmen war toll. Ich weiß nicht, ob mir ein großer Verlag das bieten kann...“
Seinem Antreten in Klagenfurt sieht Schneider mit gemischten Gefühlen entgegen. „Der Bachmann-Preis ist ja ein Fegefeuer der Eitelkeiten sondergleichen - und da sind die Autoren noch am wenigstens schlimm. Da sind die Verleger, die Lektoren, die Juroren, die ganzen Journalisten - das ist ja ein Zirkus. Ein bisschen Schiss habe ich schon auch davor. Ich hab genug Vertrauen in die Qualität meiner Texte. Aber eine gewisse Restangst bleibt.“
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - Bastian Schneider: „Vom Winterschlaf der Zugvögel“, Sonderzahl Verlag, 96 S., 15 Euro; Lesung am 28. Juni, 20 Uhr, im Musil-Haus, Klagenfurt, Bahnhofstraße 50)