Entfernten Verwandten wegen Familienstreits erstochen - Mordprozess
Wien (APA) - Weil er einen weitschichtig Verwandten im Zuge eines langjährigen Familienstreits erstochen hatte, musste sich einen Tag vor se...
Wien (APA) - Weil er einen weitschichtig Verwandten im Zuge eines langjährigen Familienstreits erstochen hatte, musste sich einen Tag vor seinem 19. Geburtstag ein türkischstämmiger Wiener wegen Mordes am Straflandesgericht verantworten. Der junge Mann zeigte sich am Dienstag grundsätzlich geständig, wies aber alle Vorwürfe zurück, er hätte den 52-Jährigen im März dieses Jahres absichtlich erstochen.
Auslöser der Fehde zwischen den beiden in unmittelbarer Nachbarschaft in der Brigittenau lebenden türkischen Großfamilien war eine Ehekrise, in die sich der Vater des Angeklagten als Bruder der Frau ebenso einmischte, wie das spätere Opfer als Bruder des Ehemannes. Die Streitereien mündeten schließlich in einer Rauferei zwischen den beiden Männern, wofür der Vater des Beschuldigten 2013 auch verurteilt wurde.
Vor dem Geschworenengericht unter dem Vorsitz von Beate Matschnig beteuerte der 18-Jährige, er hätte sich aus diesem Streit weitgehend herausgehalten, zudem er kaum Kontakt zur Tante habe. Allerdings habe ihn der 52-Jährige in den vergangenen drei Jahren etwa einmal pro Woche auf der Straße getroffen und dabei ständig beschimpft. „Ich hab mir gedacht, er ist der Ältere und habe nichts gesagt“, beteuerte der Angeklagte.
Am 1. März habe er zum Rauchen die elterliche Wohnung verlassen, mit dem Handy gespielt und wäre rein zufällig direkt vor der Haustür des 52-Jährigen gelandet. „Als ich aufgesehen habe, stand er schon da.“ Dieser habe ihn wieder beschimpft und angekündigt, er werde die Familie des jungen Mannes „auslöschen“. Bei der folgenden Rangelei habe er aus Angst und Wut sein Springmesser gezückt und zugestochen. „Da hat er kurz aufgeschrien, ein wenig gewackelt und an der Gegensprechanlage geläutet. Ich habe geglaubt, es ist nicht so schlimm und bin weggerannt.“
Das Opfer hatte jedoch einen Stich direkt ins Herz erhalten. Er sagte seiner Frau über die Gegensprechanlage, dass ihn der Sohn seines Widersachers gestochen habe und machte sich auf deren Rat auf den Weg zur 100 Meter entfernten Polizeistation, wo er zusammenbrach. Im Krankenhaus konnten die Ärzte das Leben des Familienvaters trotz zehn Blutkonserven nicht mehr retten.
Der Täter hatte sich danach mit einem engen Freund getroffen, der ihm riet, sich zu stellen, als sich herumgesprochen hatte, dass der 52-Jährige gestorben war. Zur Polizei nahm er auch die Tatwaffe mit 9,5 Zentimeter Klingenlänge mit. Auf Antrag der Privatbeteiligtenvertreterin wurde ein Sohn des Opfers befragt, der sich am Tag nach der Tat mit dem Freund des Angeklagten getroffen hatte. Dieser hätte erzählt, dass sein Vater den Täter nicht beschimpft habe und der junge Mann „absichtlich“ zugestochen habe. Der Vertraute des 18-Jährigen wollte vor Gericht davon nichts wissen: Er habe das Gespräch mit dem Sohn aus „Angst vor Blutrache“ gesucht und diesem lediglich versichert, dass er nichts damit zu tun habe und der Vater ein „Opfer“ sei.
Die Geschworenen mussten sich darüber klar werden, ob der 18-Jährige wegen Mordes oder Körperverletzung mit tödlichem Ausgang verurteilt werden sollte. Sie zogen sich am späten Vormittag zur Beratung zurück.