25 Jahre „YUxit“ - Viele Wirtschaftsprobleme für junge EU-Mitglieder

Zagreb/Ljubljana (APA/dpa) - Der renommierte kroatische Wirtschaftsprofessor Ljubo Jurcic macht eine deprimierende Rechnung auf: Während das...

Zagreb/Ljubljana (APA/dpa) - Der renommierte kroatische Wirtschaftsprofessor Ljubo Jurcic macht eine deprimierende Rechnung auf: Während das Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit 2008 in Kroatien um 12 Prozent gefallen sei, kletterte es im Schnitt der Transitionsländer in Europa um 17 Prozent. „Kroatien liegt am Boden Europas“, zeichnet er ein rabenschwarzes Bild des seit drei Jahren zur EU gehörenden Adriastaates.

Slowenien, einstiger Musterknabe der EU, entging Ende 2013 nur knapp dem Euro-Rettungsschirm, weil seine maroden Banken mit nationalen Staatshilfen von 4,8 Milliarden Euro vor dem Zusammenbruch gerettet werden konnten. Inzwischen gehen die EU-Kommission und auch das heimische staatliche Prognoseinstitut IMAD von einer Konsolidierung der Lage und einer starken Aufwärtsbewegung der wichtigsten makroökonomischen Eckpunkte aus.

Gemessen an den Durchschnittseinkommen hat sich jedenfalls die Unabhängigkeit und der EU-Beitritt beider früheren jugoslawischen Republiken ausgezahlt. Während beim EU-Kandidaten Serbien der Nettoverdienst bei 360 Euro liegt, beträgt er in Kroatien im letzten März etwa doppelt so viel (761 Euro). Die slowenischen Erwerbstätigen kommen nochmals auf ein Drittel höhere Löhne (1.021 Euro).

Trotz 16-prozentiger Arbeitslosigkeit und einer mehr als doppelt so hohen Rate bei Jungen, „wollen die Menschen nicht arbeiten“, behaupten kroatische Medien in schöner Regelmäßigkeit. Der boomenden Tourismusbranche - mit acht Milliarden Euro Umsatz und einem BIP-Anteil von über zehn Prozent wichtig für die Gesamtwirtschaft - fehlen in diesem Sommer Zehntausende Servicekräfte an der Küste. „Die Jungen wollen nicht für kroatischen Lohn arbeiten und die Alten braucht keiner“, titelte die Zeitung „Glas Slavonije“ im letzten Monat über die vielen offenen Jobs für Fahrer, Bauarbeiter oder Fleischer.

Die überall grassierende Korruption hat alarmierende Ausmaße erreicht. „In Slowenien war der Kampf gegen die Korruption nie schlechter als heute“, sagt Drago Kos als einer der international bekanntesten Anti-Korruptionskämpfer. In Kroatien gebe es im Zusammenhang mit der Pleite-Bank Hypo Alpe Adria immer noch Politiker, die als „Unberührbare“ keinerlei Strafverfolgung zu befürchten hätten. Dabei gebe es eine klare Verbindung zwischen Politik und Kriminalität.

Die jungen Menschen reagieren mit regelrechter Flucht. In allen Umfragen unter Studenten gibt die überwältigende Mehrheit an, nach Studienabschluss in Richtung Deutschland, Österreich, Schweiz, Skandinavien oder USA auswandern zu wollen. Zuhause führt diese Abwanderung allmählich zum Notstand bei medizinischen Pflegekräften und Ärzten.

Warum läuft es wirtschaftlich in beiden Ländern nicht viel besser, obwohl die Voraussetzungen eigentlich gut sind? Kroatien besitzt eine atemberaubende, weit über 1100 Kilometer lange Adriaküste, die nicht die rund 4,4 Millionen Einwohner ernähren kann? Oder die drei Millionen Hektar fruchtbarer Ackerböden, vor allem im äußersten Osten des Landes? Ein Drittel davon liegt brach, weil es sich wegen komplizierter gesetzlicher Rahmenbedingungen nicht lohnt, sie zu bestellen.

Der Wirtschaftsexperte Jurcic hat die Schuldigen an dieser Misere schnell ausgemacht: Die politische Klasse des Landes sei opportunistisch nur am eigenen Fortkommen und nicht am großen Ganzen interessiert. Wenn sich die Politiker raushalten würden, könnte das BIP innerhalb von schon zwei Jahren auf satte vier Prozent im Jahr steigen. Die Einmischung der rechtslastigen Politik in die seit einem Jahr laufende tiefgreifende Bildungsreform hatte Zehntausende aus Protest auf die Straßen getrieben.

Ein prominenter Lehrerverband riet den Eltern in einem dramatischen Appell, das Land zu verlassen: „Gehen Sie und kehren Sie nicht um! Wenn Sie bleiben, werden Ihre Kinder zu grauen, gleichgeschalteten und fantasielosen ferngesteuerten Wesen mit verkümmerter Kreativität.“

(Die APA - Austria Presse Agentur hat am 16. Juni ein umfangreiches Hintergrundpaket zum 25. Jahrestag des „YUxit“ der beiden heutigen EU-Mitglieder Slowenien und Kroatien versendet, darunter Interviews mit dem slowenischen Ex-Premier Janez Jansa und dem ersten slowenischen Außenminister Dimitrij Rupel)