Vogelschar: „Vom Winterschlaf der Zugvögel“ von Bastian Schneider
Wien (APA) - Es sind nicht gerade Amsel, Drossel, Fink und Star, die Bastian Schneider in seinem Debütband „Vom Winterschlaf der Zugvögel“ v...
Wien (APA) - Es sind nicht gerade Amsel, Drossel, Fink und Star, die Bastian Schneider in seinem Debütband „Vom Winterschlaf der Zugvögel“ versammelt hat, aber doch eine ganze Vogelschar. Schwalben und Möwen etwa, Graureiher, Wellensittiche und Kolibris flattern durch die 65 Kurzprosa-Stücke des Autors, der kommende Woche beim Wettlesen um den Bachmann-Preis antritt. Amseln kommen auch vor.
So wird etwa eine Amsel auf einer kleinen, von Rhododendrenbüschen gesäumten Straße überfahren. Geplanter Selbstmord, vermutet der am Steuer sitzende Ich-Erzähler beim Blick in den Rückspiegel. Auch sonst müssen die gefiederten Freunde gelegentlich Federn lassen, denn es geht Schneider um luftige Metaphern des Lebens, nicht um windige Verehrung des Abgehobenen. Um dies zu verhindern, hat er Augenzwinkern zum Teil seiner Poetologie erhoben. „Daß Vögel die besseren Menschen sind, mag sich von allzuweit hergeholt anhören, sozusagen aus der Luft gegriffen“, schreibt er, und gerät doch kurz darauf ins Schwärmen: „Im Vogel überwindet der Mensch sich selbst. Der Seiltänzer stürzt wunderschön in den Tod, schöner noch stößt die Amsel sich ab vom selben Seil und hat es schon vergessen, während der Mensch hier noch fällt, also singt sie ihn vom Giebel dort drüben in die Dämmerung.“
Manche der Stücke sind wenige Zeilen lang, wenige gehen über bis zu drei Seiten. Es ist nicht alles auf Pointe geschrieben, aber federleichte Formulierungen helfen, um sich aufzuschwingen und mittragen zu lassen von Bastian Schneiders Gedankenflügen, bei denen auch Grillen („nur ihr Lied fliegt durch die Sommerabendluft“) und Nachtfalter vorkommen, oder ein Fahrrad fahrendes junges Mädchen, das sich beim Überholen als mit gelbem Sommerkleid bekleidetes Gerippe entpuppt. Man begegnet auch der Angst, die Flügel verleiht, oder monatelang für ihren einmaligen Flug übenden Blättern, die im Idealfall aufgehoben und nach Hause mitgenommen werden und „als Blatt unter Blättern“ ein zweites Leben als Lesezeichen beginnen.
In manchem erinnert „Vom Winterschlaf der Zugvögel“ an das 2012 erschienene Romandebüt „Für den Herrscher aus Übersee“ der Österreicherin Teresa Präauer, die im Vorjahr beim Bachmann-Preis antrat. Auch in diesem Höhenflug der Fantasie spielte der alte Traum vom Fliegen eine große Rolle, reiste eine Fliegerin mit einem Schwarm Zugvögel in V-Formation durch die Lüfte. Vogel-V für Victory konnte Präauer damals allerdings doch nicht machen. Mit einem Auszug aus ihrem am 22. August erscheinenden Roman „Oh Schimmi“ lag sie zwar im ersten Finaldurchgang stimmenmäßig voran, ging schließlich aber doch leer aus. Ein Ende, das man Bastian Schneider für seine Klagenfurter Tage nicht wünschen möchte. Immerhin beginnt sein Kärnten-Gastspiel erfreulich: Mit einer Lesung aus „Vom Winterschlaf der Zugvögel“ am 28. Juni im Musil-Haus.
(S E R V I C E - Bastian Schneider: „Vom Winterschlaf der Zugvögel“, Sonderzahl Verlag, 96 S., 15 Euro; Lesung am 28. Juni, 20 Uhr, im Musil-Haus, Klagenfurt, Bahnhofstraße 50)