FPÖ-Wahlanfechtung

VfGH-Verhandlung: Es geht um 15.011 Stimmen Differenz

Ob bei der Bundespräsidentenwahl eine teilweise Wahlwiederholung nur in einzelnen Bezirken oder nur der Briefwahl überhaupt möglich wäre, ist fraglich.
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Viele Rechtswidrigkeiten bei der Auszählung der Briefwahlstimmen wurden vor dem VfGH bereits zutage gefördert. Nach Abschluss der Verhandlung muss das Höchstgericht feststellen, ob das Ergebnis dadurch entscheidend beeinflusst wurde. Geht man allein von der Stimmendifferenz aus, würden die 20 untersuchten Wahlbezirke eine Aufhebung des Wahlsiegs von Van der Bellen nicht rechtfertigen.

Wien - Wahlbehörden-Mitglieder aus 20 Bezirken sind zur öffentlichen Verhandlung über die Wahlanfechtung der FPÖ beim Verfassungsgerichtshof geladen. Die zu überprüfenden Vorwürfe betreffen die Auszählung der Briefwahlstimmen. Deren bekam Van der Bellen in den 20 Bezirken um 15.011 mehr als Hofer. Im Österreich-Gesamtergebnis liegt Van der Bellen um 30.863 Stimmen vorne.

Laut Bundes-Verfassungsgesetz hat der VfGH einer Wahlanfechtung stattzugeben, „wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Verfahrens erwiesen wurde und auf das Verfahrensergebnis von Einfluss war“. Der VfGH muss also zunächst feststellen, ob in einer Anfechtung erhobene Vorwürfe von Einfluss auf das Ergebnis waren - im konkreten Fall, ob die Aufhebung der Wahl in von Rechtswidrigkeiten betroffenen Bezirken dazu führen würde, dass letztlich doch Norbert Hofer (FPÖ) vor Alexander Van der Bellen (Grüne) liegt.

Kriterium der Richter noch unklar

Die Frage ist, welches Kriterium die Verfassungsrichter für die Relevanz anlegen. Das ist nicht vorgeschrieben, sondern Teil ihrer Entscheidung der Richter; sie werden nach der Anhörung der Zeugen auch darüber beraten.

Geht man allein von der Stimmendifferenz aus, würden zumindest die 20 in der Verhandlung untersuchten Wahlbezirke eine Aufhebung nicht rechtfertigen. Denn selbst wenn man diese Stimmen ausscheidet, liegt Van der Bellen österreichweit immer noch um 15.852 Stimmen vor Hofer.

Drei Tiroler Bezirke mit schweren Vorwürfen konfrontiert

Den schwer wiegendsten Vorwurf, die Sortierung, Öffnung und Auszählung von Wahlkarten durch nicht befugte Personen bzw. ohne die Beisitzer der Parteien, hat die FPÖ den Bezirken Graz-Umgebung, Innsbruck-Land, Südoststeiermark, Schwaz, Villach-Land, Kitzbühel und Villach-Stadt gemacht. Rechnet man deren Briefwahlergebnisse zusammen, holte sich Van der Bellen dort 4.751 Stimmen Vorsprung vor Hofer.

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In zehn anderen Wahlbezirken sollen die Wahlkarten laut FPÖ teils ohne Wahlkommission zu früh (also vor Montag 9.00 Uhr) in gültige und nichtige sortiert, geöffnet und teils auch die Wahlkuverts entnommen worden sein. Andere Vorwürfe betreffen nicht gewertete (elf) Wahlkarten, die nach Auszählung gefunden wurden (Gänserndorf), die Vorlage nur einer Anwesenheitsliste anstatt eines vollständigen Protokolls (Völkermarkt) und die (eine Kontrolle verunmöglichende) Verwahrung von ausgeschiedenen Wahlkarten in einem anderen Raum (Reutte). Auch Vertreter dieser drei Wahlbehörden sind vom VfGH geladen - insgesamt also 20 Wahlbezirke.

FPÖ ortet Unregelmäßigkeiten in 94 Bezirken

Die FPÖ hat in ihrer Anfechtung allerdings noch bei viel mehr Stimmbezirken Unregelmäßigkeiten behauptet - nämlich insgesamt in 94 der 117. Womit laut FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in Summe mehr als 570.000 Wahlkarten betroffen wären.

Insgesamt wurden bei der Stichwahl fast 760.000 Briefwahlstimmen abgegeben. Davon entfallen laut dem Endergebnis 282.902 auf Hofer und 457.437 auf Van der Bellen. Der Grünen-Kandidat lag nach Auszählung der Urnenwahl am Sonntag noch hinter Hofer, erst mit den Briefwählern musste sich der FPÖ-Kandidat mit Platz 2 begnügen. (TT.com, APA)

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