EURO 2016

Alles vergessen, was bislang war! Drei Punkte gegen Island Pflicht

Das ÖFB-Team will heute über den ersten Sieg bei einer EM-Endrunde jubeln.
© Gepa

Im entscheidenden Gruppenspiel um den Aufstieg ins EM-Achtelfinale gegen die Inselkicker aus Island muss das ÖFB-Team seine bisherigen EM-Spiele aus dem Kopf bringen. Und sogar den Hype um die gelungene EM-Qualifikation.

Von Hubert Winklbauer

Paris – Wir Österreicher können besser kicken! Das wird vor der heutigen Partie (18.00 Uhr/TT.com-Live-Ticker) gegen Island nahezu zum Credo erhoben. Irgendwie muss die Zuversicht genährt werden. Ohne die geht nichts. Und daran, dass wir körperlich robuster, in den Zweikämpfen furchtloser als unsere isländischen Gegner sein könnten, glauben nicht einmal jene Fans, die ihr­e Lieblinge trotz der ersten beiden Spiele bei der EM noch immer als Geheimfavorit dieses Wettbewerbs sehen.

Geheimfavorit stimmt zwar. Aber nur, wenn es um die heutige Partie geht. Das ÖFB-Team ist hier in Frankreich geschrumpft. Möglicherweise auch in seiner Selbstbeschau. Nach außen hin wird dies kaschiert. Aber darauf zu pochen, dass man von „der Klasse her“ klar überlegen sei, bleibt den ORF-Reportern überlassen. Die bewerben ja ihr Produkt. Die sind parteiisch.

Stimmen zum Spiel

Teamchef Marcel Koller: „Mir ist egal, wie die Kugel über die Linie geht. Hauptsache, sie geht rüber. Wenn wir gewinnen, ist es sehr wahrscheinlich, dass wir weiterkommen.“

Christian Fuchs:

„Wir werden Gas geben bis zur letzten Sekunde. Ich bin überzeugt, wenn wir die Leistung auf den Platz bringen, haben wir die Chance, zu gewinnen.“

Marko Arnautovic:

„Gegen Portugal haben wir gezeigt, dass wir defensiv stark sind. Gegen Island müssen wir heute eben zeigen, dass wir auch offensiv gut sind.“

Martin Harnik:

„Wie der Sieg eingefahren wird, ist letztlich egal. Es wird ziemlich sicher ein Geduldsspiel, das sich erst auf den letzten Metern entscheiden wird.“

Stefan Ilsanker:

„Wir werden versuchen, die Isländer mit Passspiel aus der Defensive zu locken. Chancen werden wir bekommen, und die müssen wir dann halt verwerten.“

Wir dürfen uns nichts vormachen: Die Isländer, die ihr außergewöhnliches Geschick mit der Kugel vorrangig im Handball (Olympiasilber 2008 in Penking) unter Beweis gestellt haben, schicken sie sich an, auch im Fußball zur Crème de la Crème aufzuschließen. Verhindern kann das heute das ÖFB-Team, wenn es dafür sorgt, dass die Inselkicker in einer Flut verwirrender Angriffsaktionen untergehen. Dies ist nur zu bewerkstelligen, wenn alles anders wird als bisher. Wenn wir bei der EM spielerisch so überlegen waren, wie es der Ära Koller nachgesagt wird, dann war dies der Hochform unserer Exponenten gehobener fußballerischer Güte wie Alaba, Arnautovic, Junuzovic und von mir aus auch noch Janko zuzurschreiben. Aber die sind entweder nicht in erhoffter Fasson oder verletzt. Der Rest – einschließlich Kapitän und Premier-League-Champ Fuchs, dem Neo-­Leverkusener Kilometerfresser Baumgartlinger oder Dragovic – erfüllte bisher in Frankreich Ansprüche, die es verbieten, sie unter „Europaklasse“ einzuordnen.

Aber der Fußball ist ja deshalb so interessant, weil schon heute hui sein kann, was gestern pfui war. Und umgekehrt. Teamchef Koller kann nicht der Vorwurf gemacht werden, das zuletzt Gezeigte in einen Erfolg umzureden. Er war in seinen Analysen besonnen und an der Wahrheit geblieben. Und er hat den Mut gehabt, einen wie David Alab­a vom Feld zu nehmen. Ob das geschickt war, wird sich heut­e zeigen. Und noch etwas wird sich zeigen: ob die alt­hergebrachte Volksmund-Stereotype „Klein, aber fein“ Wahrheitsgehalt hat.

Österreich ist klein, Island mit seinen 320.000 Einwohner­n viel, viel kleiner. Wer wird es heute Abend fein haben? Das ÖFB-Team ist gester­n wieder per Flugzeug aus Mallemort angereist. Mit Koch und allem Drumherum. Koller wusste schon gestern, wer wo spielt. Die Nichteingeweihten rätseln bis zum Anpfiff: Janko oder Harnik?, Sabitze­r oder Ilsanker? Offensiv oder defensiv? Siegreich oder ent­täuschend? Ach ja: Ohne ein Tor zu schießen, geht gar nichts.