Abgas-Skandal

Heikle VW-Hauptversammlung: Abgas-Erbe und Blick nach vorn

Brisant sind die Klagen von New York und anderen Staaten auch insofern, als darin schwerwiegende Vorwürfe gegen Konzernchef Matthias Müller und dessen Vorgänger Martin Winterkorn erhoben werden.
© Reuters

Die VW-Hauptversammlung von VW dürfte turbulent werden. Erwartet werden vor allem hitzige Debatten um die Aufarbeitung der Diesel-Affäre.

Wolfsburg – Der skandalgeschüttelte VW-Konzern hofft bei der Hauptversammlung am Mittwoch (10.00 Uhr) auf neues Vertrauen der Aktionäre, muss sich aber weiter mit Altlasten der Abgas-Affäre herumschlagen. Erstmals seit dem Bekanntwerden der Manipulationen an Millionen Dieselwagen im September 2015 treffen in Hannover Anteilseigner, Vorstände und Aufsichtsräte aufeinander. Dabei dürfte es viele kritische Fragen zur weiteren Aufarbeitung der schwersten Krise in der Volkswagen-Geschichte geben.

Vorstandschef Matthias Müller will mit seiner in der vorigen Woche vorgestellten „Strategie 2025“ den Blick nach vorn richten. Ein massiver Ausbau der Elektromobilität, eine insgesamt schlankere Modellpalette und Konzernstruktur sowie neue Angebote beim autonomen Fahren und bei Mobilitätsdiensten sollen Europas größten Autobauer voranbringen. Doch die finanziellen und juristischen Folgen des Diesel-Debakels wiegen schwer und dürften heftig diskutiert werden. Auch die Reizthemen Vorstandsboni und Sparkurs gelten bei der Aussprache als gesetzt, es könnte zahlreiche Gegenanträge geben.

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sorgen für Druck

Kurz vor dem Treffen der Anteilseigner sorgten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Ex-Konzernchef Martin Winterkorn für zusätzlichen Druck. Ihm wird Marktmanipulation vorgeworfen. Der einstige „Mr. Volkswagen“ war im Strudel der Affäre um weltweit elf Millionen manipulierte Dieselfahrzeuge im Herbst zurückgetreten.

Am Dienstag bestätigte Volkswagen zudem, dass auch der neue Chef der Kernmarke VW-Pkw, Herbert Diess, ins Visier der Ermittler geraten ist. Neben den strafrechtlichen Untersuchungen hat das Unternehmen mit drohenden Milliardenkosten durch Zivilklagen von enttäuschten Kunden und Investoren zu kämpfen. Parallel dazu durchleuchtet die US-Kanzlei Jones Day den Konzern, um Verantwortlichkeiten zu klären.

Potenzielle Sprengkraft enthält besonders der Vorwurf, das Management habe im Septeber 2015 die Finanzwelt womöglich gezielt zu spät über die absehbaren Folgen der Diesel-Affäre ins Bild gesetzt. Hier könnten am Ende milliardenschwere Schadenersatz-Klagen stehen.

VW vom US-Markt nehmen

Aufhorchen lassen auch Aussagen des deutschen „Autopapstes“ Ferdinand Dudenhöffer gegenüber dem Kurier. Laut Dudenhöffer, er gilt als einer der besten Kenner des Volkswagen-Konzerns, sollten unter anderem die italienische Motorrad-Marke Ducati verkauft und die spanische Automarke Seat geopfert werden. „Die Synergien zwischen einem Auto und einem Motorrad sind genauso groß wie zwischen einem Flugzeug und einem U-Boot. Und es stellt sich auch die Frage, braucht man die Marke Seat wirklich“, betont der Leiter des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen. Seat habe Vertriebskosten, da läuft man weg und weint. Man könnte stattdessen in den Seat-Werken Skodas bauen.Und vor allem: Die Verluste, die Seat dem Konzern eingebracht habe, könne man bis zum Ende der Welt nicht mehr verdienen.

Die Produktivität ist schlecht

Dudenhöffer rät den Wolfsburgern auch, die Marke VW vom US-Markt zu nehmen.: „VW hat in den USA seit Jahren einen Marktanteil unter zwei Prozent. Dann haben sie dort eine Fabrik hingebaut und das hat auch nichts geholfen.“ Dann komme noch der Schummel-Diesel dazu, damit ist die Marke ganz kaputt.“ Jetzt könne man zwar eine kaputte Marke hochpäppeln, das kostet aber mehr, als wenn ich man unverbrauchte Marke wie Skoda auf den US-Markt bringe, so Dudenhöffer.

Doch vieles liegt in Wolfsburg noch im Argen. Die Produktivität der Marke VW ist schlecht. Laut Dudenhöffer machte VW 2015 pro Pkw 475 Euro Gewinn. Zum Vergleich: Bei Ford betrug der Gewinn 1191 Euro und bei Toyota 1862 Euro. Bei VW kostet ein Mitarbeiter 7249 Euro im Monat, bei Audi 6641 und bei Skoda nur 2330 Euro. (dpa, tt.com)