Italiens Jungstar Renzi ist nun Teil der alten Elite

Rom (APA) - Italiens Premier Matteo Renzis hat nach der Wahlschlappe am Sonntag viel von seinem anfänglichen Glanz verloren. Der Jungpremier...

Rom (APA) - Italiens Premier Matteo Renzis hat nach der Wahlschlappe am Sonntag viel von seinem anfänglichen Glanz verloren. Der Jungpremier, der 2014 als Verschrotter alter Eliten angetreten ist, ist in der harten Realität angekommen. Die Wähler haben ihm einen Denkzettel verpasst und massenhaft die populistische Fünf-Sterne-Bewegung gewählt. Der Weg in die zweite Halbzeit der Legislaturperiode wird steinig.

Der Mythos des Jungstars der italienischen Politik, der mit Energie und einer gewissen Überheblichkeit das träge Italien in eine neue Ära hieven wollte, wackelt. Renzi, der als Alternative zu den veralteten politischen Machtlobbys angetreten war, wurde nun als deren Verkörperung von den Wählern bestraft. Er repräsentiert längst nicht mehr das Neue in der Politik. Der 41-Jährige scheint nach dem Wahldebakel bei den Bürgermeisterstichwahlen in Rom und Turin plötzlich um Jahre gealtert zu sein. Der populistische und europakritische Protest ist in Italien auf dem Vormarsch und so droht dem Verschrotter die Gefahr, selber verschrottet zu werden.

Angesehene Politologen wie Roberto D‘Alimonte von der LUISS-Universität in Rom sprechen bereits von einem möglichen „Rexit“, einer Abkehr der Italiener vom Premier und seiner Demokratischen Partei (PD), was stark destabilisierende Auswirkungen für das Land haben könnte. „Ist der Renzismus schon zu Ende?“, fragt sich die Tageszeitung „La Stampa“ besorgt. „Im desillusionierten Italien nach der Krise droht Renzi die Gefahr, sehr schnell vom Neuen zum Alten zu werden. Das Duell zwischen Kräften, die für bzw. gegen das etablierte System kämpfen, ist in Italien so stark wie noch nie“, bewertete die Tageszeitung „La Repubblica“ die Situation.

In dem neuen Szenario nach den Bürgermeisterwahlen muss sich Renzi mehreren Herausforderungen gleichzeitig stellen. Die Mobilität der Wählerschaft, die extrem unideologisch von Jahr zu Jahr von einer Partei zur anderen wandert, sowie die rekordverdächtige Stimmenenthaltung - Ausdruck der Politikverdrossenheit der Italiener - machen dem Premier zu schaffen. Er zahlt politisch einen hohen Preis für die Tatsache, dass trotz seiner wirtschaftlichen Reformen der ersehnte Wirtschaftsaufschwung im Land nicht wirklich spürbar ist. Die Jugendarbeitslosigkeit bleibt enorm, Unternehmen schaffen kaum neue Jobs, Maßnahmen zum Schuldenabbau greifen nicht, während das Bankensystem strauchelt.

Als Damoklesschwert für die Zukunft Renzis erweist sich ein für Oktober geplantes Referendum über seine Verfassungsreform. Renzi hatte zuletzt öfters betont, dass er zurücktreten werde, sollten die Italiener gegen die vom Parlament bereits beschlossene Verfassungsreform stimmen, die die Abschaffung des seit 70 Jahren geltenden Systems aus zwei gleichberechtigten Parlamentskammern vorsieht. Das Referendum wird daher zum wahren Plebiszit über Renzis Politik. Längst gilt ein positiver Ausgang der Volksbefragung nicht mehr als sicher. Renzis Gegner drängen entschlossen zum „Nein“ zur Reform. Sie sehen in dem Referendum eine einmalige Chance, den Premier aus dem Amt zu drängen.

Um die Italiener zu überzeugen, „Ja“ zu seiner Reform zu sagen, plant Renzi eine Kampagne, die in diesem Sommer all seine Kräfte beanspruchen wird. Unternehmer, Intellektuelle, Historiker und Politologen versucht der ambitionierte Regierungschef auf seine Seite zu ziehen. Zugleich muss er sich jedoch auch rauem parteiinternem Gegenwind stellen . Der linke PD-Flügel, der ohnehin schon wegen des stark liberalen Wirtschaftskurses Renzi äußerst kritisch gegenübersteht, fordert den Ministerpräsidenten zum Verzicht auf den Chefposten in der Gruppierung auf. Das Amt des PD-Vorsitzenden sei mit der Verantwortung als Premierminister unvereinbar. Angesichts der schwierigen Lage brauche die PD einen Vollzeitvorsitzenden, argumentieren die Renzi-Kritiker.

In dieser prekären Lage hat Renzi für den kommenden Oktober - sofort nach dem Referendum - einen Kongress seiner PD einberufen. Dort soll die neue politische Strategie der Partei bestimmt werden. Renzi will den Kongress nutzen, um mit seinen internen Parteikritikern abzurechnen, denen er vorwirft, sein Reformprogramm zu bremsen. Aufräumen will der Premier, um somit sein Ziel zu verwirklichen: die Parlamentswahlen 2018 zu gewinnen und eine zweite Legislaturperiode im Amt zu bleiben. Nur mit mehr Zeit werde er Italien wirklich in die Moderne führen können, lautet das Credo Renzis.