Mutmaßlicher deutscher IS-Kämpfer räumte Vorwürfe vor Gericht ein
Hamburg (APA/AFP/dpa) - Wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorvereinigung muss sich seit Mittwoch ein Syrien-Rückkehrer vor dem ...
Hamburg (APA/AFP/dpa) - Wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorvereinigung muss sich seit Mittwoch ein Syrien-Rückkehrer vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg verantworten. Zum Prozessauftakt räumte der 27-jährige Deutsche Harry S. die Vorwürfe im Wesentlichen ein, wie ein Gerichtssprecher mitteilte.
S. äußerte sich demnach umfassend zunächst zu den Beweggründen für seine Ausreise nach Syrien, wo er der Jihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) angehört haben soll. Im Zusammenhang mit der Tötung von Gefangenen in der syrischen Stadt Palmyra hatte Harry S. nach seiner Festnahme schwere Vorwürfe gegen den Austro-Islamisten Mohamed M. erhoben.
S. hatte den Ermittlern bereits im Vorfeld des Prozesses ausführlich Rede und Antwort gestanden. Seine Vernehmungen füllen den Angaben zufolge 700 Ordnerseiten. Laut der deutschen Bundesanwaltschaft war er im April vergangenen Jahres nach Syrien gereist, wo er sich dem IS anschloss. Eine militärische Ausbildung in einer IS-Spezialeinheit brach er demnach aber schon nach wenigen Wochen ab.
Der Angeklagte war später als Fahnenträger in einem deutschsprachigen Propagandavideo des IS zu sehen, das zur Teilnahme am Jihad und zu Angriffen auf „Ungläubige“ in Deutschland aufrief. S. kehrte im Juli 2015 nach Deutschland zurück und wurde festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Für den Prozess setzte das Hamburger Gericht zunächst neun weitere Verhandlungstage bis Ende Juli an.
Der in Bremen und London aufgewachsene 27-Jährige hatte vor Prozessbeginn in Interviews mit mehreren Medien seine Erfahrungen in Syrien geschildert. Nach Angaben des Senders Radio Bremen sagte der Syrien-Rückkehrer unter anderem: „Unschuldige Menschen kommen da um ihr Leben, diese Ideologie und dieser Traum vom Kalifat und vom perfekten Leben stimmt nicht, das ist einfach totaler Schwachsinn, totale Lüge.“
S. schilderte demnach, dass die Jihadistenmiliz intensiv auf der Suche gewesen sei „nach Leuten, die sich bereit erklärt haben, Anschläge in Europa auszuüben“. „Sie haben auch immer wieder gefragt: ‚Bist Du bereit, bist du bereit, nach Deutschland zu gehen oder nach England?‘ Und ich habe Nein gesagt.“
Im Interview mit „Radio Bremen“ erhob der 27-Jährige auch schwere Vorwürfe gegen Mohamed M. Am Rande des Videodrehs im syrischen Palmyra seien nicht nur jene beiden Männer erschossen worden, die im Filmmaterial zu sehen seien, sondern sieben weitere. Dies sei unter Führung des Austro-Jihadisten geschehen, sagte er. Die österreichische Justiz teilte am Dienstag auf APA-Anfrage mit, dass sie die neuen Vorwürfe prüfe. Allerdings sei unklar, ob der 31-Jährige überhaupt noch am Leben sei.