„Ich bin nicht wichtig“: Albertina zeigt Selbstporträts von Jim Dine
Wien (APA) - „Ich bin nicht wichtig“, sagt Jim Dine. „Was zählt, ist, was Sie sehen.“ Was hält man von dieser Aussage, wenn man auf 60 Arbei...
Wien (APA) - „Ich bin nicht wichtig“, sagt Jim Dine. „Was zählt, ist, was Sie sehen.“ Was hält man von dieser Aussage, wenn man auf 60 Arbeiten 60 mal das Gesicht des US-Künstlers sieht, der vor wenigen Tagen seinen 81. Geburtstag feierte? Die Ausstellung, die morgen Abend in der Albertina eröffnet, heißt nach einem Vorschlag von Dine „I never look away“. Genau hinsehen muss man auch als Besucher.
Er hätte die Ausstellung lieber „A serious man“ genannt, sagte Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder heute, Mittwoch, vor Journalisten. Denn die Selbstporträts, die einen Zeitraum von über einem halben Jahrhundert abdecken, zeigten keine Inszenierungen, keine Rollenspiele, ja nicht einmal ein größeres Spektrum an mimischem Ausdruck, sondern einen stabilen, ernsten, in sich ruhenden, nachdenklichen Charakter. „In der sich immer rascher wandelnden Kunstwelt ist das eine starke Position“, so Schröder.
Ob es auch Selbstporträts von ihm gebe, auf denen er lächle? „Wenn Sie sich in den Spiegel schauen und versuchen, ein Porträt von sich zu zeichnen, dann lachen oder grinsen Sie nicht“, meinte Dine - und versuchte, nicht dabei zu schmunzeln. Im übrigen könne man seine Selbstporträt-Serie zwar als nonverbale Autobiografie lesen, doch intendiere er keineswegs, damit Geschichten zu erzählen. „Es geht mir um Zeichnung, nicht um Erzählung.“ Deswegen antwortete er auch auf die Frage, was er bei all dieser intensiven Beschäftigung mit seinem eigenen Spiegelbild über sich gelernt habe, bloß trocken: „Dass ich älter werde...“
Die 60 von Kuratorin Antonia Hoerschelmann für die bis 2. Oktober laufende Ausstellung ausgewählten Werke sind eine repräsentative Auswahl einer im Vorjahr gemachten 230 Selbstporträts umfassenden Schenkung des heute auf einer Farm in der Nähe von Seattle und in Paris lebenden Künstlers. „Das war nicht großzügig, sondern selbstsüchtig“, versicherte Jim Dine. „Denn ich vertraue den Leuten hier. Es sind Experten, und die werden mit meinen Arbeiten bestmöglich umgehen.“ In der Albertina hat er schon 1989 ausgestellt („Youth and the Maiden“), zwei Jahre nachdem er eine Zusammenarbeit mit dem Wiener Drucker Kurt Zein begonnen hatte.
Tatsächlich sei die Albertina, wo Selbstporträts von Dürer und Rembrandt bis zu Schiele und Kokoschka zum Stolz der Sammlung zählten, der ideale Ort für Dines Arbeiten, sagte Schröder - und nannte die häufige Konzentration der kunsthistorischen Würdigung Dines als Mitbegründer der Pop-Art neben Andy Warhol und Roy Lichtenstein „ein Missverständnis“.
Da habe der Albertina-Direktor durchaus recht, versicherte Dine der APA. „Es lag damals einfach in der Luft, und ich kannte sie natürlich auch alle. Aber Pop-Art hat mich nie sonderlich interessiert - obwohl sie mich freilich gut ernährt hat.“ Und wieder war der Ansatz eines jener Schmunzler zu sehen, die man auf den Selbstporträts vergeblich sucht - ob sie nun auf Fotos, gezeichnet oder als Druckgrafik festgehalten sind. Sogar zwei Keramik-Vasen mit Dines Konterfeis gibt es, obwohl er an die damalige Zusammenarbeit ansonsten keine gute Erinnerung hat. Dafür scheint er mit der burgenländischen Druckwerkstatt Chavanne gute Erfahrungen gemacht zu haben. Zu sehen ist die jüngst dort entstandene Lithografie „Ich in Apetlon“.
Nicht zu sehen sind dagegen jene Bademäntel, Herzen oder Stiefel, die früher als serielle Motive zu Dines Markenzeichen wurden. Die Ausstellung konzentriert sich ganz auf das Gesicht des Künstlers - und wird trotz der Verweigerung ostentativ variierten Ausdrucks erstaunlicher Weise keineswegs monoton. Nicht nur, weil die conditio humana, die hier variantenreich behandelt wird, nicht monothematisch genannt werden kann, auch weil Dines Beharren auf das Kunstwerk an sich immer wieder neue Aspekte einbringt.
Anhand seiner mehrteiligen Serie „Dine mit 80 in Paris“, in der Kohle mit Schleifpapier und Schleifmaschine behandelt wurde, lässt sich etwa nicht nur über die erstaunliche Ähnlichkeit zu Tintorettos „Weißbärtiger Mann“ sinnieren, sondern mit dem Künstler auch über die Bedeutung eines eingearbeiteten Kaffeeflecks diskutieren. Seiner Erinnerung habe es sich um Tee gehandelt, korrigierte Dine, im übrigen sei dies jedoch ebenso egal wie die Werktitel, die manchmal bewusst in die Irre führten: „It‘s the drawing, that counts, folks.“
(S E R V I C E - „Jim Dine. I never look away“, Ausstellung in der Albertina, 24.6. bis 2.10., Täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 21 Uhr, Katalog im Kehrer Verlag, 186 S., 25 Euro, www.albertina.at)
(B I L D A V I S O – Pressebilder stehen im Pressebereich von www.albertina.at zum Download bereit.)