Mister Brexit

London (APA/AFP) - Er inszeniert sich als Heilsbringer und verspricht seinen Landsleuten den „Independence Day“, den Unabhängigkeitstag. Die...

London (APA/AFP) - Er inszeniert sich als Heilsbringer und verspricht seinen Landsleuten den „Independence Day“, den Unabhängigkeitstag. Die EU-Gegner im Königreich, die beim Referendum am Donnerstag den Brexit wählen wollen, reißt Boris Johnson damit von den Stühlen.

Für die Verfechter des EU-Verbleibs wie den Londoner Bürgermeister Safik Kahn ist der Hüne mit der blonden Strubbelmähne jemand, der aus persönlichen Motiven die Zukunft der Insel aufs Spiel setzt und dafür das Land spaltet. Johnson belüge die Leute und jage ihnen mit der Warnung vor einer Einwanderungswelle Angst ein, sagte Khan am Dienstagabend bei einer Debatte mit Johnson im Wembley-Stadion. „Das ist Panikmache, Boris, und Du solltest Dich dafür schämen.“

Wenn die Briten tatsächlich ihre EU-Mitgliedschaft aufkündigen, hätte Johnson entscheidenden Anteil am „No“. Für diejenigen EU-Gegner, denen der Rechtspopulist Nigel Farage zu radikal ist, ist Johnson die Lichtgestalt im Brexit-Lager. Witzig, spontan, intelligent, und mit einem schelmischen Lachen, hinter dem ihrer Ansicht nach einfach keine böse Absicht verborgen sein könne. Und immer wieder traf er während der Kampagne ins Schwarze, etwa als er über Regierungschef David Cameron spöttelte, dessen Warnung vor einem „Dritten Weltkrieg“ im Brexit-Fall wäre wohl doch etwas übertrieben.

Johnson hatte lange gewartet - bis Cameron im Februar den Termin für das Referendum verkündete - bis er sich öffentlich auf die Brexit-Seite schlug. Die Festlegung war ein harter Schlag für den Premierminister - und das wohl mit voller Absicht. Schließlich gilt Johnson als wahrscheinlichster Nachfolger des Premiers, sollte der über sein Referendum stürzen.

„Stimmt das Vereinigte Königreich für den Austritt, wird Cameron nahezu mit Sicherheit als Premierminister zurücktreten“, meint George Eaton vom „New States Magazine“. Selbst wenn die Briten mehrheitlich für den EU-Verbleib stimmten, habe Johnson sich an der konservativen Parteibasis bis dahin neue „Zuneigung erschlossen“. Längst ist er ja der unangefochtene Anführer der EU-feindlichen Tories.

Johnson war der Machthunger in die Wiege gelegt. Schon als kleiner Bub habe Alexander Boris de Pfeffel Johnson danach getrachtet, „König der Welt“ zu werden, vertraute seine Schwester Rachel dem Biographen Andrew Gimson an. An der Elite-Universität in Oxford habe Johnson dann in Studienjahren einen derartigen Eindruck hinterlassen, „dass niemand daran zweifelte, er werde eines Tages Premier“.

Johnson wurde 1964 in New York in eine wohlhabende Familie geboren. Sein Vater war als Konservativer Mitglied im Europäischen Parlament. Johnson ist in zweiter Ehe mit seiner Jugendfreundin Marina Wheeler verheiratet, mit der er vier Kinder hat. Neben seiner politischen Karriere - er ließ sich 2001 für die Konservativen ins Londoner Parlament wählen - trat Johnson auch als Journalist hervor, unter anderem als Chefredakteur des „Spectator“. Als Bürgermeister von London war er der Hausherr der Olympischen Sommerspiele 2012.

Zum Markenzeichen Johnsons gehört, dass er sich nichts aus Political correctness oder steifer Höflichkeit macht. Er tat Jihadisten als sexuell Frustrierte ab und rief männliche Wähler zur Stimmabgabe für die Konservativen auf, weil dann „Ihre Frau größere Brüste bekommt und Sie bessere Chancen auf einen BMW M3 haben“.

Beim Referendum stehen Folgen von anderer Dimension auf dem Spiel. „Niemand weiß, was passieren wird“, räumte Cameron am Mittwoch ein. Das gilt auch für Johnsons Zukunft. Sollte er als Brexit-Held gefeiert werden, müsste er auch verantworten, was daraus wird.