Die Schwächsten auf der Flucht
In Innsbruck findet derzeit die Generalversammlung von SOS-Kinderdorf International statt.
Innsbruck –Medizinische Versorgung, psychologische Hilfe, Schulbildung, Tagesbetreuung: Der Aufgabenbereich der globalen SOS-Kinderdorf-Nothilfe umfasst ein weites Feld. In den kommenden Jahren will die NGO mit insgesamt über 37.000 Mitarbeitern in 134 Ländern ihre Hilfe für Opfer gewaltsamer Konflikte und Naturkatastrophen noch weiter intensivieren.
Darüber und über die Ausrichtung der Organisation bis zum Jahr 2030 geht es bei der Generalversammlung von SOS-Kinderdorf International, die gestern mit mehr als 400 Delegierten in Innsbruck eröffnet wurde und bis morgen abgehalten wird.
Weltweit sind laut den Vereinten Nationen 65 Millionen Menschen auf der Flucht, rund jeder zweite von ihnen ist jünger als 18 Jahre. „Kinder sind am verwundbarsten, insbesondere wenn die elterliche Obhut fehlt“, verweist Nothilfe-Koordinator Andreas Papp auf die Gefahr sexueller und materieller Ausbeutung unbegleiteter Minderjähriger.
Dass sich SOS-Kinderdorf durch die jüngsten Entwicklungen im Mittleren Osten verstärkt um Kriegsflüchtlinge kümmert, lässt Parallelen zur Gründung des ersten Kinderdorfs 1949 in Imst erkennen – stand dieses doch unter dem Eindruck notleidender Kinder, die ihre Eltern durch den Zweiten Weltkrieg verloren hatten. In exakt jenem Kinderdorf wohnen derzeit neben einheimischen Jugendlichen zwanzig unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Geholfen wird aber auch vor Ort, etwa in Syrien, wo rund 9000 Jugendliche in Tagesstätten betreut werden, und in Lagern entlang der Fluchtroute.
Die Gründe, warum Jugendliche ohne die Begleitung Erwachsener die Flucht antreten, sind vielfältig. Manche haben ihre Eltern verloren, andere werden „vorausgeschickt“, um in Europa ein neues Leben aufzubauen. „In einem griechischen Auffanglager hat mir ein 14-jähriger Afghane erzählt, dass seine Familie für seine Flucht nach Europa zusammengelegt hat, um ihm dort eine Karriere als Profifußballer zu ermöglichen“, schildert der Niederösterreicher, selbst zweifacher Vater. Der Perspektivenlosigkeit in der Heimat stünden oft völlig falsche Vorstellungen von Europa gegenüber. „Die jungen Flüchtlinge stehen damit – zusätzlich zur Trennung von den Eltern und den schrecklichen Erlebnissen in ihrer Heimat und auf der Flucht – unter dem großen psychischen Druck, die überzogenen Erwartungen der Verwandtschaft erfüllen zu müssen.“
Derzeit wird an neuen Konzepten zur Betreuung traumatisierter Kinder gearbeitet. In Italien soll ein Therapiezentrum aufgebaut werden, erzählt Papp. „Überhaupt werden wir uns in der nächsten Zeit in Südeuropa stärker positionieren – auch aufgrund der geschlossenen Grenzen entlang der Balkanroute.“ (mxs)