Waffenrecht - Sitzblockade der Demokraten im US-Kongress

Washington/USA/Orlando (Florida) (APA/AFP) - US-Kongress im Ausnahmezustand: Im Plenarsaal des Repräsentantenhauses sitzen dutzende Abgeordn...

Washington/USA/Orlando (Florida) (APA/AFP) - US-Kongress im Ausnahmezustand: Im Plenarsaal des Repräsentantenhauses sitzen dutzende Abgeordnete auf dem Boden, singen die Bürgerrechtshymne „We Shall Overcome“ und halten Schilder mit Fotos von Schusswaffenopfern in die Höhe. Mit dem spektakulären Sit-in, einem Bruch der Regeln und Traditionen des Parlaments, wollten die Demokraten eine Abstimmung über Restriktionen im Waffenrecht durchsetzen.

Die Aktion dauerte nach mehr als 20 Stunden am Donnerstag an, blieb aber ohne Erfolg. „Wir hören nicht auf, ohne dass für die Opfer der Schusswaffengewalt und ihre Familien etwas unternommen wird“, erklärte der Abgeordnete John Lewis, der Anführer der Protestaktion, am frühen Morgen im Internetdienst Twitter.

Zu diesem Zeitpunkt harrte allerdings nur noch eine kleine Gruppe von Abgeordneten auf dem Boden aus. Zeitweise hatten nach US-Medienberichten bis zu hundert Parlamentarier an der Aktion teilgenommen.

Begonnen hatte die Protestaktion, nachdem sich die republikanische Mehrheit geweigert hatte, über Gesetzentwürfe für ein eingeschränktes Waffenrecht abstimmen zu lassen. Die Initiativen sehen vor, Terrorverdächtigen den Kauf von Schusswaffen zu verbieten und die Überprüfungen von potenziellen Waffenkäufern auszuweiten.

Die Vorstöße waren zuvor bereits im Senat von der dortigen Mehrheit der Republikaner abgeschmettert worden. Der Streit um das Waffenrecht war durch den Anschlag von Orlando mit 49 Todesopfern am 12. Juni neu angeheizt worden. Der mutmaßlich islamistische Attentäter hatte sich seine Waffen besorgen können, obwohl er von der Bundespolizei FBI beobachtet und vernommen worden war.

„Die Zeit für Schweigen und Geduld ist lange vorbei“, begründete der Abgeordnete John Lewis den Sitzstreik. Der 76-jährige Afroamerikaner ist eine Ikone der Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre und über die Parteigrenzen hinaus respektiert. In den 60er Jahren wurde das Sit-in häufig als Instrument des Protests eingesetzt.

Für seine Protestaktion bekam Lewis den Rückhalt von Präsident Barack Obama, der in den vergangenen Jahren mit mehreren Anläufen zur Einschränkung des Waffenrechts am Widerstand der Republikaner gescheitert war. „Danke John Lewis, dass Du die Führung beim Thema Waffengewalt übernimmst, wo wir es am meisten brauchen“, schrieb Obama auf Twitter.

Die republikanische Mehrheit blieb jedoch unnachgiebig. Der Chef des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, bezeichnete die Aktion als „Publicity-Trick“. Er sah sich gezwungen, die Plenarsitzung am späten Abend fortzusetzen. Dabei ließ er in einem - letztlich vergeblichen - Versuch, die Ordnung wiederherzustellen, über andere Themen beraten, während die Abgeordneten weiter vor dem Rednerpult saßen.

Anschließend beraumte Ryan die übliche zweiwöchige Sitzungspause rund um den Unabhängigkeitstag am 4. Juli an. Einige Demokraten blieben dennoch sitzen und verbrachten, mit Decken und Polstern ausgestattet, die Nacht im Plenarsaal.

Da während des Sitzstreiks die Parlamentssitzung großteils formell unterbrochen war, blieben die Kameras abgeschaltet. Der Parlamentssender C-Span behalf sich damit, dass er von den Demokraten per Smartphone gesendete Livestreams nutzte. „Die Republikaner im Repräsentantenhaus haben zwar die Kameras abgeschaltet, doch sie können nicht unsere Stimme abschalten“, schrieb die voraussichtliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton.