Brexit besiegelt

Brexit stürzt Börsen weltweit ins Chaos

Der Handelssaal der Börse in Frankfurt, nach der offiziellen Verkündigung des Votums und dem Rücktritt von England Premier Cameron.
© dpa

Das EU-Referendum der Briten löste auf den Börsen weltweit Panik aus. Während die Aktien der Finanzbranche und wichtige Technologiewerte in den Keller rauschen, flüchten die Anleger flüchten in Gold, Schweizer Franken und Bundesanleihen.

Frankfurt – „Black Friday“ an den Finanzmärkten: Das Votum der Briten für einen Ausstieg aus der Europäischen Union sorgt am Freitag für massive Verwerfungen. Nachdem bereits die Börsen in Asien eingebrochen sind, droht auch Europas Börsen ein historischer Kursrutsch.

Innerhalb kurzer Zeit brachen die Aktien von Finanzinstituten europaweit ein. Die Papiere der Deutschen Bank und der Commerzbank verloren kurz nach dem Handelsstart am Freitagmorgen jeweils rund 16 Prozent. In Wien schmierten die Aktien der Erste Group (-14 Prozent) und Raiffeisen Bank International (-12 Prozent) ebenfalls dramatisch ab.

Die Aktien der Royal Bank of Scotland lagen an der Londoner Börse rund 28 Prozent im Minus, Papiere von Lloyds büßten 22 Prozent ein. Auch der Versicherer Aviva verlor rund 25 Prozent.

„Alle sind falsch positioniert“

Auch auf den Devisenmärkten herrschte Panik. Der Kurs des Pfund Sterling stürzte in der Früh um bis zu 11,1 Prozent ab und lag mit 1,3232 Dollar so niedrig wie zuletzt im September 1985. Der Euro fiel um bis zu 4,1 Prozent auf ein Dreieinhalb-Monats-Tief von 1,0914 Dollar.

Dem Eurozonen-Leitindex Euro-Stoxx-50 steht ein Kurssturz um 11,39 Prozent bevor. Der X-DAX als Indikator für den deutschen Leitindex signalisierte rund eine Dreiviertelstunde vor Handelsstart einen Einbruch von 9,34 Prozent auf 9.299 Punkte.

„Alle sind falsch positioniert“, sagte ein Börsianer am frühen Morgen. „Keiner hat damit gerechnet, dass die Briten wirklich austreten. Jetzt gibt es immensen Absicherungsbedarf.“ Seit Mitte der Vorwoche war der DAX in zunehmender Hoffnung auf einen Verbleib der Briten noch um fast 9 Prozent angesprungen.

Mehr als die Hälfte der DAX-Werte standen nun am Freitagmorgen vorbörslich beim Broker Lang & Schwarz prozentual zweistellig im Minus. Vor allem Bankenwerte gerieten massiv unter Druck. Die Aktien der Deutschen Bank brachen bei L&S um knapp 20 Prozent ein.

„An der Börse muss man auch stets das Unmögliche denken“, sagte Marktexperte Daniel Saurenz. Dies hätten die Investoren am zuletzt offenbar nicht mehr getan. Der bisher schwärzeste Tag im DAX war 1989 mit einem Rutsch um 12,81 Prozent. Um diesen Negativrekord einzustellen, müsste der DAX aber deutlich unter 9.000 Punkte abrutschen.

Asiatische Börsen im Schock

An den Aktienbörsen in Asien reagierten die Anleger schockiert. Der japanische Leitindex Nikkei brach um mehr als acht Prozent ein und stand damit vor dem größten Tagesverlust seit mehr als fünf Jahren. Die Börse Hongkong gab 4,7 Prozent nach. Für den Dax sagten Brokerhäuser zur Eröffnung ein Minus von fast elf Prozent voraus. Der Londoner Auswahlindex FTSE werde ähnlich stark einbrechen.

Experten rechnen damit, dass in den kommenden Monaten massiv Kapital von der Insel abfließen und dies zu einem Wirtschaftseinbruch führen wird. Großbritannien ist wegen seines hohen Leistungsbilanz-Defizits auf ausländisches Geld angewiesen. Bereits in den Monaten vor der Abstimmung zog die Diskussion um den Brexit die britische Wirtschaft in Mitleidenschaft. Im ersten Quartal gingen die Investitionen erstmals seit drei Jahren zurück.Investoren griffen stattdessen zu Gold, Schweizer Franken und Bundesanleihen. Das Edelmetall verbuchte den größten Kurssprung seit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008. Der Gold-Preis stieg um bis zu 8,2 Prozent auf ein Zwei-Jahres-Hoch von 1358,20 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm).

Technologiewerte im Tiefflug

Begehrt als „sichere Häfen“ waren auch der Schweizer und die japanische Währung. „Bis gestern hatte Europa ein Problem, jetzt ist erst mal Panik“, sagte der Europa-Chefvolkswirt der Nordea Bank, Holger Sandte, der Nachrichtenagentur Reuters. „Die Finanzmärkte werden einige Tage brauchen, um den Schock zu verarbeiten.“

Die Entscheidung der Briten hat auch heftige Auswirkungen auf zyklische, direkt von der Wirtschaftsentwicklung abhängige Branchen. Daher gehörten sie bereits vorbörslich zu den größten Verlierern mit Kursverlusten im zweistelligen Prozentbereich: Autoaktien, Papiere von Industrieunternehmen wie Siemens oder Thyssenkrupp und Technologiewerte wie Infineon Technologies waren beim Wertpapierhandelshaus Lang & Schwarz vorn dabei mit Verlusten zwischen 10 und 13 Prozent. (APA/Reuters)