Spanien-Wahl: Vier Parteien ringen um die Macht
Konservative und Sozialisten dominierten in Spanien lange Zeit die politische Szene. Dies änderte sich bei der Wahl am 20. Dezember 2015. Seither ringen vier Parteien um die Macht.
Madrid – Spanien droht nach der Neuwahl am Sonntag erneut ein politisches Patt. Wenn die Meinungsforscher richtig liegen, reicht es wie bereits im Dezember weder für die Konservativen noch für das linke Lager für eine eigene Mehrheit. Dabei hatten die Spanier der Politik schon beim Urnengang Ende 2015 den Auftrag erteilt, ideologische Gräben zu überwinden und aufeinander zuzugehen.
Doch die persönliche Abneigung zwischen den Spitzenkräften Mariano Rajoy von Mitte-Rechts und Pedro Sanchez von Mitte-Links war zu groß, um das Patt aufzulösen. Nun heißt es für die Parteien: zurück auf zum Start. Dass Spanien mit der Neuwahl nur drei Tage nach dem britischen Brexit-Referendum unregierbar wird, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Drei Bündnisse scheinen - je nach Ausgang der Wahl - denkbar, aber allen drei Varianten stehen große Hindernisse entgegen.
Große Koalition von Konservativen und Sozialisten
Dies ist die von Ministerpräsident Mariano Rajoy favorisierte Lösung. Die Sozialisten (PSOE) schlossen es jedoch aus, dem konservativen Regierungschef zu einer Mehrheit zu verhelfen. Ihr Parteichef Pedro Sanchez war angetreten mit dem Versprechen, Rajoy abzulösen und einen Wandel einzuleiten. Eine Koalition wäre in seinen Augen ein Verrat am Wähler. Zudem befürchten die Sozialisten, dass ihnen ein ähnliches Schicksal droht wie ihren Genossen in Griechenland. Dort verschwand die PASOK nach einer Großen Koalition quasi in der Versenkung.
Mitte-Rechtskoalition von Konservativen und Liberalen
Nach Umfragen ist es fraglich, ob ein solches Bündnis eine ausreichende Mehrheit erhält. Die liberalen Ciudadanos (Bürger) sind nicht grundsätzlich gegen eine Koalition mit der Volkspartei (PP), aber sie wollen unter keinen Umständen Rajoy zu einer neuen Amtszeit verhelfen. Sie halten den Regierungschef nach den Korruptionsskandalen in der PP für untragbar. Rajoy weigert sich jedoch hartnäckig, einem anderen PP-Kandidaten Platz zu machen.
Linkskoalition von Podemos und Sozialisten
Pablo Iglesias, Spitzenkandidat der Linkspartei Podemos (Wir können), wirbt für ein Bündnis mit der PSOE. Eine solche Allianz steht nach Umfragen kurz vor dem Erreichen einer absoluten Mehrheit. Die Sozialisten sind davon jedoch alles andere als begeistert. Sie sehen in Iglesias einen Linkspopulisten, der die PSOE verdrängen und Podemos zur stärksten Kraft im Lager der Linken machen will. Diese Befürchtungen sahen sie dadurch bestätigt, dass der Podemos-Parteichef, der bisher mit der Regierung in Venezuela und dem Linksbündnis Syriza in Griechenland sympathisiert hatte, sich nun als einen „Sozialdemokraten“ bezeichnete.
Die wichtigsten Akteure
Der nach Umfragen unbeliebteste Spitzenkanditag Mariano Rajoy ist eine Politischer Überlebenskünster. Er ist seit einem halben Jahr nur geschäftsführend als spanischer Ministerpräsident im Amt. Seine konservative Volkspartei (PP) dürfte bei der Wahl am Sonntag zwar erneut die meisten Sitze gewinnen, aber niemand will dem 61-Jährigen als Koalitionspartner zu einer ausreichenden Mehrheit verhelfen.
Der bärtige Galicier ist nach Umfragen einer der unbeliebtesten Spitzenkandidaten. Unter seinem Vorsitz wurden die Konservativen von einer Serie von Korruptionsskandalen erschüttert. In seiner Partei ist Rajoy jedoch unumstritten. Er ist kein charismatischer Politiker, der seine Anhänger zu Begeisterungsstürmen hinreißt, sondern ein Pragmatiker, der sich von Ideologien fernhält und in brenzligen Situationen Gelassenheit ausstrahlt.
Bevor er die PP 2011 zum höchsten Wahlsieg der Geschichte führte, hatte er sich mehr als Krisenmanager bewährt. Rajoy gilt als ein politischer Überlebenskünstler, der schon häufiger vor dem Ende seiner politischen Karriere zu stehen schien, seine Widersacher aber immer wieder eines Besseren belehrte.
Pedro Sanchez und die spanischen Sozialisten (PSOE) waren die großen Verlierer der Parlamentswahl vom 20. Dezember 2015. Dennoch wagte der PSOE-Parteichef sich an den Versuch, eine Regierung zu bilden. Der 44-Jährige scheiterte jedoch, weil er die Liberalen und die Linkspartei Podemos (Wir können) nicht zu einer Dreierkoalition bewegen konnte.
Für den Ökonomie-Dozenten geht es bei der anstehenden Wahl auch um seine politische Zukunft. Als er 2014 zum Parteichef gewählt wurde, bedeutete dies einen riesigen Sprung für den Hinterbänkler, den bis dahin in Spanien kaum jemand gekannt hatte. „Pedro el Guapo“ (Pedro, der Schöne), wie der gut aussehende Politiker genannt wurde, sollte mit seinem Charme seine von Selbstzweifeln geplagte Partei wieder zu besseren Zeiten führen. Sanchez tat sich jedoch schwer damit, das Tief der PSOE zu überwinden. In Teilen der Partei wird er mit Argwohn betrachtet. In der PSOE-Hochburg Andalusien hat er in der regionalen Ministerpräsidentin Susana Diaz eine einflussreiche Gegenspielerin.
Pablo Iglesias trägt selten Anzüge und Krawatten. Mit seinem Kinnbart und dem zusammengebundenen Pferdeschwanz erinnert der Chef der spanischen Linkspartei Podemos (Wir können) ein wenig an einen Hippie der 1970er Jahre. Der 37-Jährige ist jedoch kein Relikt vergangener Zeiten. Iglesias gehört zu den Aufsteigern in der spanischen Politik.
Seine vor gut zwei Jahren gegründete Partei gewann innerhalb kurzer Zeit die Sympathien von Millionen von Wählern. Iglesias macht sich gar Hoffnung darauf, bei der Parlamentswahl an diesem Sonntag die Sozialisten als wichtigste Kraft im Lager der Linken zu verdrängen und zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden.
Seine Partei, die aus den Jugendprotesten des Jahres 2011 hervorging, ist basisdemokratisch organisiert, aber Iglesias ist ihr Gesicht. Der Politik-Dozent, der früher ein radikales Ende der Sparpolitik und eine Verstaatlichung von Banken gefordert hatte, gibt sich heute weitaus gemäßigter. Er bezeichnete sich selbst als einen „Sozialdemokraten“ und versuchte Unternehmer davon zu überzeugen, dass eine Podemos-Regierung eine pragmatische Linie verfolgen werde. (APA, dpa, tt.com)
Die vier wichtigsten Parteien:
VOLKSPARTEI (PP): Die Konservativen von Ministerpräsident Mariano Rajoy errangen 2011 das beste Ergebnis ihrer Parteigeschichte. Sie regierten Spanien vier Jahre mit absoluter Mehrheit, erlitten bei der Wahl vor sechs Monaten aber drastische Einbußen. Als Ursachen gelten die drastischen Sparmaßnahmen der Rajoy-Regierung und die vielen Korruptionsskandale, die die Partei erschütterten.
SOZIALISTISCHE ARBEITERPARTEI (PSOE):
Die Sozialisten konnten aus den Problemen der Konservativen keinen Nutzen ziehen. Sie befinden sich in der Wählergunst seit 2010 praktisch im freien Fall. Bei der Dezember-Wahl erzielte die PSOE ihr schlechtestes Ergebnis in der jüngeren Geschichte und war der große Verlierer. Ihr Parteichef Pedro Sanchez konnte bisher keinen Umschwung einleiten.
PODEMOS (Wir können)
: Die neue Linkspartei erlebte nach ihrer Gründung vor gut zwei Jahren einen spektakulären Aufstieg. Bei der Wahl im Dezember gewann sie allerdings nicht so viele Sitze wie erwartet. Für die Wahl am Sonntag schloss die Partei, die aus der Protestbewegung der „Empörten“ hervorgegangen war, ein Bündnis mit der - von den Kommunisten dominierten - Vereinten Linken (IU).
CIUDADANOS (Bürger):
Die liberale Partei des Anwalts Albert Rivera ging 2006 aus einer Initiative in Katalonien hervor, die sich gegen die separatistischen Tendenzen in der Region zur Wehr gesetzt hatte. 2014 dehnte sie ihre Aktivitäten auf ganz Spanien aus. Die Partei mit dem Kürzel C‘s versteht sich als sozialliberal und möchte eine Schlüsselrolle bei der Regierungsbildung spielen.