In Lebensgefahr beginnen Vögel zu singen

Wien (APA) - In Lebensgefahr beginnen Vögel zu singen. Dieses Verhalten kannte man bisher nur von Männchen. Wiener Forscher haben nun erstma...

Wien (APA) - In Lebensgefahr beginnen Vögel zu singen. Dieses Verhalten kannte man bisher nur von Männchen. Wiener Forscher haben nun erstmals gezeigt, dass auch weibliche Blaumeisen bei Bedrohung durch ein Raubtier zu singen beginnen, berichten sie im „Journal of Ornithology“. Lange Zeit war man davon ausgegangen, dass der Gesang von Singvögeln primär mit Partnersuche oder Konkurrenzkampf zusammenhängt.

Lange Zeit hielt man die Männchen für die engagierteren Sänger, Weibchen wurden als eher singfaul angesehen. Bei den Blaumeisen verfügen allerdings beide Geschlechter über eine Vielzahl an Gesangsmustern, was darauf hindeutete, dass der Gesang nicht nur mit Partnersuche oder Konkurrenzkampf zusammenhängt.

Herbert Hoi und Katharina Mahr vom Konrad Lorenz Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien haben in ihrer Arbeit Attrappen von Fressfeinden - einem Sperber und einer Äskulapnatter - eingesetzt, um eine Reaktion der Vögel auf die Bedrohung des Geleges zu provozieren. Dabei zeigte sich, dass auch die Blaumeisenweibchen in Gegenwart eines Räubers singen und ihr Gesang stark jenem der ebenfalls anwesenden Männchen ähnelt.

Beide Geschlechter reagierten jedoch nur auf die Bedrohung durch den Greifvogel und nicht auf die Äskulapnatter. Die Wissenschafter erklären sich das durch den Umstand, dass der Raubvogel eine Gefahr für die ausgewachsenen Vögel selbst darstellt, die Schlange hingegen nur eine Bedrohung für das Gelege.

Dass die Blaumeisen überhaupt auf die Räuber mit Gesang reagieren und damit Aufmerksamkeit erregen, erklärten sich die Forscher so: „Möglicherweise deuten die Tiere eine erhöhte Fluchtbereitschaft an. Sie zeigen dem Räuber, dass sie ihn entdeckt haben und jederzeit flüchten können“, so Hoi in einer Aussendung der Uni. Der Gesang könnte aber auch einfach durch einen vom Stress ausgelösten hormonbedingten Reiz entstehen, Konrad Lorenz hat dies „Übersprungshandlung“ genannt.

Dass der Gesang einen Hilferuf der Weibchen darstellt, schließen die Wissenschafter aus. In mehreren Fällen war das Männchen während des Versuchs in der Nähe, beide sangen dann gemeinsam. Dies könnte als gegenseitiges Mut zusprechen interpretiert werden, das den Zusammenhalt des Vogelpärchens verstärkt.

(S E R V I C E - Internet: http://dx.doi.org/10.1007/s10336-016-1345-3)