Brexit - Auslandsösterreicher 1: „Ich dachte, ich höre nicht richtig“
Wien/London (APA) - „Ich dachte, ich höre nicht richtig“, sagt eine Österreicherin, die seit Jahrzehnten in England lebt zum Ergebnis der EU...
Wien/London (APA) - „Ich dachte, ich höre nicht richtig“, sagt eine Österreicherin, die seit Jahrzehnten in England lebt zum Ergebnis der EU-Austrittsvolksabstimmung im Vereinigten Königreich. „Ich habe seit vier Uhr in der Früh nicht mehr geschlafen, da habe ich von der negativen Entscheidung im Radio gehört“, sagt die 63-jährige gebürtige Kärntnerin, die an der Grenze zu Wales lebt, am Freitag im APA-Gespräch.
„Ich habe gehofft, es geht sich aus, dass wir drinbleiben, aber es ist leider anders gekommen“, so die selbst als österreichische Staatsbürgerin nicht Wahlberechtigte, deren Söhne aber allesamt für den Verbleib der Briten in der Union gestimmt haben, wie sie betont. Als Hauptursachen für die Stimmenmehrheit für den Brexit macht sie die im Wahlkampf dominierende Migrationsfrage und auch die geplante Visafreiheit für Türken verantwortlich, auch wenn diese noch gar nicht umgesetzt ist.
Als Schuldige für negative Dinge in Großbritannien sei meist die EU ausgemacht worden, dabei liege vieles im internen Bereich, macht die Austro-Engländerin auf ein Problem aufmerksam, dass es in vielen anderen Unionsstaaten auch gibt. Aus ihrer Sicht wäre es besser für das Vereinigte Königreich gewesen, in der EU zu bleiben um mitreden und mitbestimmen zu können. Jedenfalls gebe es „jetzt sicher auch für die EU viel zu tun, damit sich nicht ein Land nach dem anderen loslöst“.
„Persönlich, und da geht es mir genauso wie vielen Freunden aus der ganzen EU, mit denen ich heute schon gesprochen habe, fühlt man sich hintergangen“, schildert Franz Schwarz seine Gefühlslage nach dem Pro-Brexit-Votum. Schwarz, der an der Uni Wien Jus studierte, ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Wilmerhale in London. „Viele Freunde sagen, sie fühlen sich als EU-Bürger zum ersten Mal nach oft vielen Jahren, fast 20 in meinem Fall, nicht mehr willkommen. Einige fragen sich auch, ob sie in einem Land, das sich für Abgrenzung und Isolation entschieden hat, überhaupt noch leben wollen.“
Schwarz ist schon lange im Land. Er habe ein sicheres Aufenthaltsrecht und könne auch die englische Staatsbürgerschaft bekommen, sagt er. „Ob ich das will, ist natürlich eine andere Frage.“
Was seinen Beruf angeht, ist Schwarz optimistischer. Er geht davon aus, dass die EU und die britische Regierung innerhalb der ohnehin zweijährigen Übergangsfrist ausreichende Freihandelsabkommen verhandeln werden, die auch Aufenthaltsrechte zumindest für hoch qualifizierte EU-Bürger beinhalten. „Welche wirtschaftlichen Auswirkungen dies alles langfristig haben wird, vermag freilich keiner mit Sicherheit zu sagen.“