Brexit - Auslandsösterreicher 2 - „Schockiert, fix und fertig“

Wien/London (APA) - „Ich bin sehr schockiert, fix und fertig.“ Noch immer kann es die gebürtige Steirerin Nicole Brown nicht glauben, dass e...

Wien/London (APA) - „Ich bin sehr schockiert, fix und fertig.“ Noch immer kann es die gebürtige Steirerin Nicole Brown nicht glauben, dass eine Mehrheit der Briten für den EU-Austritt gestimmt hat. Sie hatte mit einem knappen Nein gerechnet. Am Freitagvormittag checkte sie die Homepage von BBC News mehrmals, um zu sehen, ob sich das Ergebnis nicht doch noch nach ihren Wünschen dreht: vergeblich.

Die 39-Jährige lebt seit knapp 16 Jahren in Faversham in der südöstlichen Grafschaft Kent, arbeitet als Lektorin im Fach Bildungswissenschaften am University College London, ihr Ehemann ist Engländer, er ist Lehrer an einer Privatschule mit vielen internationalen Schülern. Brown hat gegen den Brexit gestimmt, und auch in ihrem privaten und beruflichen Umfeld sei die Ablehnung eines EU-Austritts groß gewesen, sagt sie im Gespräch mit der APA. In ihrem Wahlkreis Swale war der Anteil der Brexit-Befürworter allerdings mit 62,46 Prozent noch höher als landesweit (51,9 Prozent).

Die aus der Umgebung von Leoben stammende Brown kritisiert den Fokus der Kampagnen auf das Thema Einwanderer als Sündenböcke für die Überlastung des britischen Schul- und Gesundheitssystems und das Ziel der politischen Akteure, mit der EU-Frage eigentlich innenpolitische Veränderungen herbeiführen zu wollen. So ist der konservative Londoner Ex-Bürgermeister Boris Johnson aus Browns Sicht gar kein so glühender Brexit-Befürworter, sondern habe vor allem seinen innerparteilichen Rivalen David Cameron als Premier stürzen wollen.

Nigel Farage von der UK Independence Party hält sie für eine „Prater-Comicfigur“, einen „Lugner von England“. Sein Wahlversprechen, dass die Gelder, die Großbritannien bisher an EU-Beiträgen gezahlt hat, künftig für Verbesserungen im britischen Sozialsystem eingesetzt würden, ist für sie schlichtweg „Blödsinn“, und Farage habe dieses Versprechen Freitagfrüh auch gleich wieder relativiert. „Die Leute am Boden werden nichts davon sehen.“ Die Mutter eines Kindes sieht im Gegenteil unnötige Kosten: So müssten wohl die Pässe aller Briten ausgetauscht werden, so dass dort nicht mehr „Citizen of the European Union“ draufstehe.

Über die Konsequenzen des Brexit für sich selbst und ihre Familie hat sich Nicole Brown noch nicht wirklich Gedanken gemacht, nachdem sie nicht damit gerechnet hatte. Sie fühlt aber Unsicherheit auf sich zukommen. Sorgen macht ihr etwa, ob sie und ihr Sohn die britisch-österreichische Doppelstaatsbürgerschaft werden behalten können. Als Uni-Angestellte befürchtet sie auch, dass nicht mehr so viele Studenten aus dem Ausland nach Großbritannien kommen könnten. Nun heiße es einmal „abwarten und Tee trinken“.