Brexit - Auslandsösterreicher 3: „Unsicherheit ist das Schlimmste“

Wien/London (APA) - Einen „verrückten“ und „betrübenden“ Vormittag hat der 25 Jahre alte Rene Jellitsch hinter sich. Er lebt seit vier Monat...

Wien/London (APA) - Einen „verrückten“ und „betrübenden“ Vormittag hat der 25 Jahre alte Rene Jellitsch hinter sich. Er lebt seit vier Monaten in London, wo er in einer Medienagentur mit Beschäftigten aus 58 Ländern arbeitet. Dass die Briten am Donnerstag für einen Austritt des Vereinigten Königreichs gestimmt haben, verunsichert ihn zutiefst.

Er und seine Arbeitskollegen seien den Großteils des Vormittags damit beschäftigt gewesen, über das Ergebnis des Referendums zu sprechen „und wie schockiert wir nicht alle sind. Das Schlimmste ist einfach die Unsicherheit, was als nächstes passiert.“

In London habe er von der Anti-EU-Stimmung nicht so viel gespürt, da die britische Hauptstadt „ziemlich pro-remain war“, meint Jellitsch. Vom Ergebnis sei er daher umso fassungsloser gewesen.

Sein Chef habe gleich nach der Ergebnisverkündung eine E-Mail an alle Mitarbeiter gesendet und mitgeteilt, dass das Unternehmen nun am Prüfen sei, wie es weitergeht, erzählt Jellitsch der APA. Der CEO werde aber „für jeden einzelnen kämpfen, falls notwendig - daher hoffe ich weiterhin“.

Dass die Briten so klar für einen Brexit gestimmt haben, führt Jellitsch auf Ängste der Briten zurück: Ausländer, die den Einheimischen Jobs wegnähmen, kleine Firmen, die Ressentiments gegen Großkonzerne hätten. Dank Auslandserfahrungen und Internet hätten junge Menschen eine ganz andere Einstellung zur Internationalität als ältere Menschen - das könne man auch an den Wahlergebnissen ablesen.

Gar Mitleidsbekundungen im Büro hat Alina Eglhofer bekommen. „Ein bisschen bekommt man das Gefühl, hier herrscht die Meinung vor, ich müsste mich noch heute wieder in ein Flugzeug nach Hause setzen“, schildert die 25-jährige Wienerin, die erst vor einer Woche nach London gekommen ist, um dort einen Job als Administrative Manager anzufangen.

Sie selbst weiß noch nicht recht, was sie vom Nein der Briten zur EU halten soll. „Mein Kopf hat sich da noch nicht ganz entschieden, er schwankt zwischen ‚Wohnung in Wien doch behalten‘ und ‚Jetzt erst recht für immer hierbleiben‘.“

Was Brexit beruflich für sie bedeutet, vermag sie freilich noch nicht abzuschätzen. „Hier weiß keiner, was jetzt passieren wird - weder die BBC noch dein Arbeitgeber“, so Eglhofer. Ähnlich war aus ihrer Sicht die Stimmung in London: Üblicherweise wollten die Menschen in der City in der Früh einfach nur schnell in die Arbeit. „Heute wollten sie nicht schnell, heute war alles ein bisschen langsamer - Schockstarre nennt man das, denke ich.“

Beim gestrigen Referendum sei es nicht um „remain“ oder „leave“ gegangen, sondern um „ich glaube an die EU“ oder „ich bin unzufrieden“, habe eine Arbeitskollegin treffend gemeint. „Gerade Engländer waren immer schon gut darin, Unmut sehr drastisch auszudrücken und die EU hat leider verabsäumt, diese Stimmung abzufangen“, so Eglhofer.