Brexit stürzt EU in tiefe Trauer - EU-Austritt und Cameron-Rücktritt

Brüssel (APA) - Der Sieg der Austrittsgegner beim Referendum in Großbritannien hat die EU in tiefe Trauer gestürzt. In fast allen Stellungna...

Brüssel (APA) - Der Sieg der Austrittsgegner beim Referendum in Großbritannien hat die EU in tiefe Trauer gestürzt. In fast allen Stellungnahmen von EU-Politikern war von Trauer die Rede. Der EU-Austritt führt auch zum Rücktritt des britischen Premiers David Cameron, aber erst im Oktober. Die EU-Spitze zeigte sich geschockt, drängte aber in ihrer Enttäuschung auf rasche Austrittsverhandlungen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ließ sich mit seiner Reaktion bis kurz nach Mittag Zeit. Er betonte auf Nachfrage, dass die Abstimmung nicht der Anfang vom Ende der EU sei. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte zuvor vor Hysterie gewarnt und die Situation als dramatisch, aber nicht ernst heruntergespielt. Es gelte nun, die restlichen 27 EU-Staaten geeint zu halten.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zeigte sich „sehr traurig“. Nun sei „Stabilität in turbulenten Zeiten, die auf uns zukommen“, notwendig. Es gelte, über eine Verbesserung der EU zu diskutieren und vor allem die Eurozonen-Staaten zu schützen. Für Dienstag kommender Woche setzte Schulz unmittelbar vor Beginn des ab Nachmittag tagenden EU-Gipfels eine Sondersitzung des Europaparlaments zu den Brexit-Folgen an.

Der amtierende EU-Ratsvorsitzende Mark Rutte hat Forderungen aus dem rechtspopulistischen Lager in den Niederlanden nach einem EU-Austrittsreferendum auch in seinem Land zurückgewiesen. Das Brexit-Votum in Großbritannien bezeichnete er als „enttäuschend“, zugleich aber auch als „Stimulus für EU-Reformen“.

Die vier Präsidenten betonten in dem gemeinsamen Schreiben, dass die ursprünglich mit Großbritannien im Fall eines Verbleibs in der EU ausgehandelten vier Punkte u.a. zu Migration und Sozialbereich nun natürlich nicht mehr gelten würden. Gleichzeitig gelte für London weiterhin das EU-Recht, „bis Großbritannien nicht länger EU-Mitglied ist“.

Mehrere EU-Spitzenpolitiker sprachen von einem tiefschwarzen Tag, während die harten Gegner im Europaparlament jubelten und von einem Unabhängigkeitstag für Großbritannien sprachen. Der Chef der Liberalen im EU-Parlament, Guy Verhofstadt, verlangte eine „schnelle und freundliche Scheidung“ von den Briten, um negative Auswirkungen auf Finanzmärkte und Arbeitsplätze zu verhindern. Wie bereits in den Jahren zuvor wurde von praktisch allen EU-Vertretern die Notwendigkeit von Reformen und einer Erneuerung der Europäischen Union unterstrichen, ohne aber konkret zu werden.

Auch Selbstkritik am Vorgehen der EU gegenüber Großbritannien war kaum zu hören. Mehrmals war lediglich davon die Rede, Schadensbegrenzung zu betreiben. Polens Europa-Staatssekretär Konrad Szymanski wollte eine Art einvernehmliche Scheidung (smooth scenario for separation) mit London haben. Ohne Reformen würde die EU riskieren, in fünf oder sechs Jahren ein bis zwei weitere Länder zu verlieren. Ob das auf Polen zutreffen, wies Szymanski entschieden zurück. „Wir haben keinen Grund, die EU zu verlassen, wir wollen vielmehr die EU retten. Polen wird Teil der Lösung sein, nicht des Problems“.