Politologe: Trump hat Regeln für US-Wahlen neu geschrieben
Washington/Wien (APA) - Entgegen jeder Erwartung des Partei-Establishments hat Donald Trump sich die Nominierung als Kandidat der Republikan...
Washington/Wien (APA) - Entgegen jeder Erwartung des Partei-Establishments hat Donald Trump sich die Nominierung als Kandidat der Republikaner um die US-Präsidentschaft gesichert. Damit hat er die Regeln für ein Antreten um das höchste Amt der USA umgeschrieben, sagte der US-Politikwissenschaftler Stephen Wayne im Gespräch mit der APA.
Schlüssel zu Trumps starkem Abschneiden war seine Fähigkeit, bei den Vorwahlen neue Wählerschichten an die Urne zu bringen. „Wir wissen, dass bei den Vorwahlen zur Präsidentschaft durchschnittlich nur 17 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben. Trump hat sehr viele Leute zur Urne gebracht, die normalerweise nicht wählen gehen“, sagte Wayne. Die Trump-Wähler seien überdurchschnittlich oft weiße Arbeiterschichten und ehemalige Arbeiterschichten, die sich durch die Globalisierung bedroht fühlten.
Trumps Wählerschicht der Enttäuschten werde besonders durch die Anti-Establishment-Rhetorik des Milliardärs angezogen. Allerdings dienten die harten und politisch unkorrekten Äußerungen Trumps gegen Frauen und Minderheiten auch dazu, gratis Publicity zu erzeugen. „Wir haben ausgerechnet, dass er für die Menge an Berichterstattung, die es allein bis Februar über ihn gab, nach gängigen Raten für Werbeeinschaltungen rund 400 Millionen Dollar (355 Mio. Euro) zahlen hätte müssen“, sagte der Politologe von der renommierten Georgetown-Universität in Washington DC.
Schwierigkeiten bereitete Trump bisher der Rückhalt der eigenen Partei. Viele Konservative ärgerten sich über unbedachte Äußerungen des New Yorkers und seine mangelnde ideologische Rigidität bei Streitfragen wie Abtreibung. Dies stellt nach Ansicht Waynes aber kein Problem dar: „Wenn er seine Rhetorik ein wenig eingrenzt und ein paar professionelle Kampagnenmanager ins Team holt, dann wird er die republikanische Basis zurückholen können.“
Dabei spielt auch die demokratische Gegenkandidatin Trumps eine Rolle. „Eine Menge republikanischer Funktionäre hasst Hillary Clinton seit 20 Jahren. Es wäre schwer, für sie zu stimmen.“
Nach Ansicht des Politologen stößt die Strategie Trumps dennoch bald an ihre Grenzen. „Er kriegt wohl einen großen Anteil der republikanischen Stimmen. Aber das ist nicht genug, um eine Wahl zu gewinnen.“ Dieser Wähler-Pool entspreche wohl etwa 41 Prozent der Stimmen, sagte Wayne. „Aber kriegt er die Unabhängigen und einige Demokraten dazu, auch für ihn zu stimmen?“
Am schwersten werde es Trump bei den Minderheiten haben, sagte Wayne. „Wir wissen, wen er nicht kriegen kann - die Schwarzen, Latinos, Muslime und die wohl am schnellsten wachsende Gruppe: die asiatischen Amerikaner.“ Am ehesten gelinge es dem Republikaner wohl, die Stimmen von weißen Arbeitern in industriellen Staaten wie Wisconsin und Pennsylvania für sich zu gewinnen. Aber es sei noch unsicher, ob genug dieser Wähler überhaupt zur Urne gingen.
Im Kampf um die Wählerstimmen sucht Hillary Clinton indes noch um eine zugkräftigen Vize-Präsidentschaftskandidaten. Politologe Wayne tippt darauf, dass es eher kein linker Politiker nach dem Geschmack der Unterstützer von Clintons Vorwahl-Konkurrenten Bernie Sanders sein wird. „Sie wird jemand nehmen, der breiten Zuspruch bei der Arbeiterschicht genießt“, glaubt der Politikwissenschafter. „Ich glaube, sie wird sich für Tim Kaine aus Virginia entscheiden.“ Der Senator sei ein sehr guter Redner, komme aus einem Schlüsselstaat und spreche Spanisch.
Für das Ergebnis der eigentlichen Präsidentenwahl am 8. November traut sich Wayne nur eine augenzwinkernde Prognose zu. „Ich kann nicht sagen, wer gewinnt - aber SIE wird Ärger mit dem Kongress haben.“
(Das Gespräch führte Alexander Fanta/APA)