Internationale Pressestimmen zum Brexit 3

London (APA/dpa) - „Kathimerini“ (Athen):...

London (APA/dpa) - „Kathimerini“ (Athen):

„Die Wahrheit ist, dass die Briten und vor allem die Engländer nie mit ganzem Herzen Mitglied der Europäischen Union waren. Zwar mussten sie 1973 fast darum bitten, aufgenommen zu werden, aber in der Folge sorgten sie stets dafür, mit einem Fuß außerhalb zu stehen. Sie sicherten sich Ausnahmeregelungen, behielten ihre eigene Währung und blieben beim Schengen-Abkommen draußen. Mit anderen Worten, sie hielten mit aller Macht, die ihnen als ehemaliges Empire geblieben war, an ihrem Sonderstatus fest. (...)

Entsprechend fiel die Entscheidung für den Brexit nicht aufgrund einer Wirtschaftskrise, eines Referendums oder dem Wunsch nach Einsparungen. Das waren nicht die Themen des Vereinigten Königreichs. Der Brexit ist den erfolglosen Manövern von David Cameron geschuldet, dem Provinzialismus, der Angst, von Flüchtlingen überschwemmt zu werden, der Unsicherheit und Mentalität der Älteren, der Stärke des Nationalpopulismus, der Haltung der Medien, den Zweifeln an einem wirklichen - oder eingebildeten - Establishment.“

„La Stampa“ (Turin):

„Das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU droht, die nationalen Egoismen wieder aufleben zu lassen, die die Gründerväter hinter sich gelassen hatten, als 1957 die Verträge von Rom unterschrieben wurden - und damit das geschaffen wurde, was das ‚gemeinsame Haus‘ für die letzten vier Generationen von Bürgern war (...) Es ist die Unfähigkeit Europas, auf die Herausforderung zu antworten, die Integration neu zu beleben und dabei die eigene Spaltung zu überwinden.“

„Europas 11. September“ titelt „MF Dnes“ (Prag):

„Auch andernorts werden sich die Menschen nun um eine Volksabstimmung bemühen, vor allem in Schweden, den Niederlanden und möglicherweise auch in Österreich. Mit dem Austritt Großbritanniens beginnt ein langsamer und langfristiger Zerfallsprozess der EU. Das dortige Referendum hat viel Hass und Extremismus provoziert und die EU in eine große Identitätskrise gebracht. Es bleibt zu hoffen, dass ihr Verfall langsam und friedlich verlaufen wird wie einst bei der Sowjetunion. An die Stelle der EU könne eine minimalistische, pragmatische und stärker die Konkurrenzfähigkeit fördernde Gemeinschaft des freien Marktes treten. Möglicherweise steht Großbritannien sogar eine bessere Zukunft bevor als dem verknöcherten Europa. Der Austritt aus der EU dürfte dem Land einen Tritt geben und neue Energie verleihen.“

„Magyar Nemzet“ (Budapest):

„Wenn sie (die EU) aus den Ereignissen etwas lernt, kann sie stärker werden. Zum Beispiel kann sie darüber nachdenken, welche Probleme von vorne herein dazu geführt haben, dass die Briten den Austritt auf sich nehmen. Man muss auswerten, warum die EU nicht funktioniert, warum immer mehr von der Integration enttäuscht sind. Dabei können wir leicht daraufkommen, dass die EU einen Fehler nach dem anderen angehäuft hat, dass sie schlecht funktioniert - trotzdem stimmt es nicht, dass die Idee (der Integration) an und für sich sinnlos sei. Die Integration hat ihre Existenzberechtigung, nur muss man die daraufgepflanzte Bürokratie abtrennen.“

„Il Messaggero“ (Rom):

„Ende eines großen Missverständnisses. Großbritannien hat die EU überhaupt nicht verlassen. Es ist nie eingetreten. Es wäre daher falsch, Trauer zu empfinden. Allenfalls eine bittere Aufgeregtheit, zusammen mit einer Anwandlung von Erlösung. Der britische Abschied wird diesem Volk vielleicht helfen, über seine Zukunft nachzudenken (...). Aber es ist schwer, in dieser Scheidung auf Englisch nicht vor allem eine klare Botschaft an (Kanzlerin Angela) Merkel zu sehen. Eine echte Warnung im Interesse aller europäischen Bürger. Europa hat es nicht verdient, unter deutscher Fuchtel zu stehen.“

„Nepszabadsag“ (Budapest):

„Es ist keine einfache Frage, ob die Lösung der Krise in einem engeren oder in einem lockereren Bündnis (der EU-Staaten) liegt. Jene, die eher für Letzteres sind, wie zum Beispiel der ungarische Ministerpräsident, haben soeben (mit Großbritannien) ihren wichtigsten Bündnispartner verloren. Sie werden jetzt gezwungen sein, mit der übermütig gewordenen Marine Le Pen zusammenzuarbeiten, mit Geert Wilders und mit den übrigen rechtsextremen Populisten. Oder im Gegenteil, sie können versuchen, näher an das nunmehr völlig ins Zentrum gerückte Deutschland heranzurücken. Letzteren wünschen wir viel Erfolg!“