US-Schwulen-Bar schreibt Geschichte - Nationaldenkmal „Stonewall Inn“
New York (APA/dpa) - Am New Yorker „Stonewall Inn“ entlud sich die geballte Wut nach langer Ausgrenzung von Schwulen und Lesben. US-Präsiden...
New York (APA/dpa) - Am New Yorker „Stonewall Inn“ entlud sich die geballte Wut nach langer Ausgrenzung von Schwulen und Lesben. US-Präsident Barack Obama macht die Kneipe zum Nationaldenkmal und würdigt den Kampf um Gleichstellung an einem Ort, der zum Symbol einer internationalen Bewegung wurde.
Es scheint eine Razzia wie so viele vor ihr, als acht Polizisten in einer Juninacht im Jahr 1969 das „Stonewall Inn“ im New Yorker Greenwich Village betreten: Der Verkauf von Alkohol an Schwule ist illegal, tanzen dürfen sie auch nicht und Frauen durften Hosen nur dann tragen, wenn sie außerdem mindestens drei „weibliche Kleidungsstücke“ anhatten. Rund 200 Menschen haben sich an jenem Abend in der beliebten Schwulen-Bar auf der Christopher Street versammelt. Doch als Polizisten eine lesbische Frau abführen und sie im Handgemenge mit einem Schlagstock traktieren, läuft das Fass über.
Es ist ein Rosa-Parks-Moment der amerikanischen Geschichte: Wie bei der Afroamerikanerin, die sich weigerte, im hinteren Teil eines Busses zu sitzen und zur Mutter der Bürgerrechtsbewegung wurde, wird das „Stonewall Inn“ zur Keimzelle der Protestbewegung. Nun erklärt Obama die berühmte Kneipe zum Nationaldenkmal. Damit ist die Bewegung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern (LGBT) auch auf höchster Ebene im nationalen Bewusstsein der USA angekommen.
Blutige Krawalle waren nötig, immer neue Demonstrationen und viele verzweifelte Hilferufe von Menschen, die sich ihre Art zu leben und zu lieben nicht vorschreiben lassen wollen. Wie in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung war es jahrelange Gewalt, Unterdrückung und offene Ausgrenzung, die sich immer weiter aufstaute und dann geballt an einem Ort entlud. „Wir hatten nichts und so hatten wir nichts zu verlieren“, sagt Tommy Lanigan-Schmidt, der die bewegende Zeit am „Stonewall Inn“ miterlebte.
Flaschen und Steine flogen in jener Nacht auf die Polizisten, die sich bald von 600 Menschen bedrängt sahen und zum eigenen Schutz in der eben geräumten Kneipe verbarrikadierten. Mülltonen flogen, Fensterscheiben barsten, beschreiben die Kneipenbesitzer die Szenen heute. Die Krawalle rissen nicht ab, noch Nächte später versammelten sich rund 1.000 Demonstranten. Die Unruhen waren der Funke, der eine internationale Bewegung in Gang setzte.
„Wir wurden brutal behandelt, wir wurden ermordet, wir wurden auf eine Weise geächtet“, sagt Aktivistin Octavia Lewis im Video des Weißen Hauses. „Schwule Menschen waren Opfer einer Kultur, die keinen Respekt hatte, keine Toleranz“, erinnert sich auch Aktivistin Melissa Sklarz an die späten 1960er Jahre. Als Refugium hat sich die Kneipe gehalten: Nach dem Massaker im Schwulen-Club „Pulse“ in Orlando versammelten sich zuletzt Tausende zu einer Mahnwache am „Stonewall Inn“.
In vielen Reiseführern steht die Kneipe schon jetzt, und auch die Christopher Street ist mit dem jährlichen, nach ihm benannten Tag (CSD) zum Synonym für die LGBT-Bewegung geworden. Doch erst die Ernennung des „Stonewall Inn“ zum Nationaldenkmal trägt dem langen und schmerzhaften Kampf wirklich Rechnung. Und neben dem „Homomonument“ in Amsterdam sowie Denkmälern, die etwa in Frankfurt und Köln an von Nationalsozialisten ermordete Schwule und Lesben erinnern, ist für historische LGBT-Ortsmarken noch viel Raum.
Es ist auch ein Vermächtnis Obamas. Per Erlass regelte er bereits die Gleichstellung von schwulen und lesbischen Angestellten in der Regierung oder im Militär und ließ das Weiße Haus in Regenbogenfarben aufleuchten, als das höchste US-Gericht die gleichgeschlechtliche Ehe landesweit für legal erklärte. Kein Präsident habe sich so sehr für LGBT-Rechte eingesetzt wie Obama, sagt Aktivistin Sklarz.