Spanien - Rechtspopulisten spielen bei Wahlen keine Rolle
Madrid (APA) - Überall in Europa sind rechtspopulistische Parteien im Aufwind. In Deutschland feiert die AfD einen Siegeszug, in Frankreich ...
Madrid (APA) - Überall in Europa sind rechtspopulistische Parteien im Aufwind. In Deutschland feiert die AfD einen Siegeszug, in Frankreich der Front National. Auch in den Niederlanden, Ungarn und Italien gewinnen Rechtspopulisten vor allem unter dem Eindruck der Wirtschafts- und Flüchtlingskrise immer größeren Einfluss. In Österreich fehlten dem Freiheitlichen Norbert Hofer (FPÖ) nur 31.000 Stimmen, um Bundespräsident zu werden.
Und in Spanien, einem der am härtesten von der Wirtschaftskrise gebeutelten EU-Länder, wo am Sonntag Parlamentswahlen stattfinden? Fehlanzeige! Rechtspopulistische Kräfte spielen in Spanien überraschender Weise keine Rolle. Zwar nehmen kleine, rechtspopulistische Parteien immer wieder an Wahlen teil, erhalten aber kaum Stimmen. Das hat verschiedene Gründe:
„Nach dem plötzlichen Ende der faschistischen Militärdiktatur von General Franco 1976 bildete sich keine starke Partei rechts von der Konservativen Volkspartei PP. Dadurch nahm diese alle Wähler von der rechten Mitte bis rechtsextrem auf“, erklärt der spanische Soziologe Juan Jesus Gonzalez von der Madrider Fernuniversität UNED im APA-Gespräch. Die Mehrheit der spanischen Bevölkerung bezeichnet sich zwar als politisch links. Doch regierten die Konservativen über Jahre hinweg immer wieder mit sogar absoluter Mehrheit. „Die Konservativen haben den Vorteil, dass sich die Sozialisten das linke Lager mit der kommunistischen Vereinten Linken (IU) oder linken Regionalparteien teilen müssen“, so Gonzalez.
Andererseits finden in Spanien europaskeptische Parteien keine Basis. „Spanien, für das der Beitritt zur EG 1986 endgültig den Ausweg aus Diktatur und Isolierung bedeutete, ist eines der europabegeistertsten Länder überhaupt“, erklärt der spanische Soziologe Jose Pablo Ferrandiz. Laut einer jüngsten Umfrage seines Meinungsforschungsinstituts Metroscopia sind noch immer knapp zwei Drittel der Bevölkerung der Ansicht, dass die EU-Mitgliedschaft positiv für Spanien war und ist.
So tauchen euroskeptische Thesen in kaum einem Wahlprogramm auf. Selbst die rechts-katholische Vox-Partei spricht sich explizit für Europa aus. Doch warum konnten rechtspopulistische Parteien nicht unter der jüngsten Wirtschafts- und Einwanderungskrise vor den Wahlen am Sonntag Boden gut machen? „Aus einem ganz einfach Grund: Die Unzufriedenheit der Spanier über die hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und die Misswirtschaft der beiden großen Volksparteien wurde von uns aufgekommen und kanalisiert“, versichert Miguel Ardanuy der APA. Ardanuy sitzt für die linke Protestpartei Podemos (Wir können) im Madrider Stadtrat. Die eher linkspopulistische Schwesterpartei der griechischen Syriza ging erst vor zwei Jahren aus der spanischen Empörten-Bewegung hervor.
Auch die neue liberale Ciudadanos-Partei, die viertstärkste Kraft bei den Wahlen wird, fängt viele Opfer der Wirtschaftskrise und desaströser Wirtschaftspolitik ab. Doch mit ihrem Feldzug gegen die „korrupte Politikerklasse“ und linken, aber teils sehr utopischen Alternativen zur neoliberalen Wirtschaftspolitik der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hat vor allem Podemos durchaus Erfolg.
Nachdem Podemos-Chef Pablo Iglesias vor wenigen Wochen ein Wahlbündnis mit der kommunistischen Vereinten Linken (IU) einging, könnte die Allianz „Unidos Podemos“ (Vereint können wir es) am Sonntag die Sozialisten (PSOE) als linke Alternative zu den Konservativen ablösen, die erneut als Wahlfavoriten gelten. Die Neuwahlen wurden notwendig, nachdem sich Spaniens Parteien nach den Wahlen vom 20. Dezember nicht auf eine Regierungskoalition einigen konnten.
Doch auch die Flüchtlingskrise, die seit vergangenem Jahr rechtspopulistischen Parteien vor allem in zentraleuropäischen Ländern Aufwind gibt, spielt in Spanien bisher keine Rolle im Wahlkampf. „Spanien ist traditionell ein sehr einwanderungsfreundliches Land“, meint Soziologe Gonzalez.
Zudem gibt es keinen großen Immigrationsdruck. Seit Jahren sind die Wege illegaler Einwanderer über Spaniens Nordafrika-Exklaven Melilla und Ceuta so gut wie dicht. Auch die afrikanischen Bootsflüchtlinge haben kaum noch Chancen, die Straße von Gibraltar zwischen Marokko und Spanien zu überqueren. Die wenigen, die es schaffen, zieht es aufgrund der hohen spanischen Arbeitslosigkeit von 22 Prozent ohnehin weiter nach Frankreich, England und Deutschland.
Zwar verpflichtete sich Spanien, 16.231 Flüchtlingen aus dem europäischen Verteilungskontingent von 160.000 Asyl zu gewähren. Doch Premier Rajoy, der seit der Ausrufung von Neuwahlen nur mit beschränkten Kompetenzen regieren kann, nahm erst knapp 100 Flüchtlinge auf.