Milchmarkt

„Mit günstigen Standorten können wir uns nicht messen“

© Thomas Böhm / TT

Europas Milchmarkt ertrinkt in eigener Produktion. Laut dem neuen LK-General hilft dagegen nur eine europaweite Reduktion der Milchmenge.

Wien, Hannover –Die Talfahrt der Milchpreise bringt Tausende Bauern praktisch europaweit in akute Bedrängnis. Für den künftigen Generalsekretär der Landwirtschaftskammer (LK) Österreich, Josef Plank, hilft gegen die Milchpreiskrise kurzfristig nur eine EU-weite Reduktion der Milchmenge. Länder wie Irland, Niederlande, Dänemark und Deutschland müssten auf die Bremse treten. „Mit günstigen Standorten werden wir uns nicht messen können“, sagte Plank.

Bei den aktuell niedrigen Preisen würde sich aber auch die Milchproduktion in Großproduzentenländern nicht mehr rechnen. Die österreichischen Milchbauern müssten ihren Weg der Qualitäts- und Spezialproduktion wie Heu- und Biomilch weitergehen, um sich klar zu differenzieren. Langfristig werden die Bauern-Milchpreise „nicht auf diesem Preisniveau“ sein, erwartet Plank.

Die Milcherzeuger Deutschlands indes wollen bei ihrem Bauerntag diese Woche in Hannover erneut auf ihre prekäre Situation aufmerksam machen, die das Höfesterben befeuert. Ähnlich wie in Österreich sehen die deutschen Milchbauern Politik, Lebensmittelwirtschaft, Molkereien und Konsumenten in der Pflicht und suchen Stabilisierungsmechanismen für den Milchmarkt. Das Kernproblem: Es gibt nach dem Wegfall des EU-Quotensystems als Mengenschranke zu viel Milch auf den Märkten.

Beim Deutschen Milchkontor (DMK) – dem Branchenprimus unter den Molkereibetrieben – sieht man auch noch andere Gründe. „In den vergangenen zehn Jahren wächst der Welt-Milchmarkt jährlich im Schnitt um 2,5 Milliarden Kilogramm“, sagt DMK-Sprecher Hermann Cordes. Das hängt zum einen mit neuen Anbietern wie den USA zusammen, die seit 2007 auf den Weltmarkt drängen. Zum anderen gab es Jahre mit klimatischen Topbedingungen – wie 2014, ohne verheerende Katastrophen im Ausland. Damals – so schätzt das DMK – gab es ein Überangebot von etwa 10 Milliarden Kilogramm.

Der Weltmarkt ist somit umkämpfter denn je. Hinzu kommt: Gerade dämpft die schwächere Nachfrage etwa in China die Geschäfte. Und weil Russland wegen der Ukraine-Krise als Markt ausfällt, bleibt zudem mehr Milch in der EU. „Es werden gerade einmal 15 Prozent der in der Europäischen Union produzierten Milch in Drittländer exportiert – und das völlig ohne Subventionen“, sagt Eckhard Heuser, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Milchindustrie-Verbands. Bei einer Produktion von 140 Millionen Tonnen sind das 21 Millionen Tonnen. Im Gegenzug werden nur 1,5 Prozent des Verbrauchs durch Importe aus Drittländern – vor allem Neuseeland und der Schweiz – in Form von Milchpulver, Käse und anderen Milchprodukten gedeckt.

Nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO wären aber fünf Prozent das Maß: Denn wer exportiert, muss nach den Regeln auch zu einem gewissen Grad importieren. Auch das führt dazu, dass ausländische Milchprodukte hier auf den Markt kommen. Der bisherige Anteil liegt aber weit unter der WTO-Größenordnung. „Wenn also einer sagt: Europa ist offen wie ein Scheunentor, dann gilt das definitiv nicht für den Milchsektor“, so Heuser.

Fraglich werden die Folgen des EU-Ausstiegs Großbritanniens sein. „Es gibt jetzt erst mal keine Planungssicherheit mehr“, sagt Heuser. Allerdings war Großbritannien kein gewaltiger Exportmarkt. Deutsche Molkereien exportierten 2015 rund 13.000 Tonnen H-Milch, 12.000 Tonnen Kondensmilch sowie 68.000 Tonnen Käse auf die Insel. Wichtigstes Exportprodukt der deutschen Milchwirtschaft ist hier der Joghurt. Die Engländer dagegen schickten in der Hauptsache nur etwa 13.000 Tonnen Käse über den Kanal. (APA, dpa, TT)