Bittere Heiterkeit: „Heldenplatz“ als Lesung auf Schloss Wartholz

Reichenau an der Rax (APA) - Thomas Bernhards letztes, seinerzeit heiß umstrittenes Theaterstück „Heldenplatz“ hat Helga David in einer szen...

Reichenau an der Rax (APA) - Thomas Bernhards letztes, seinerzeit heiß umstrittenes Theaterstück „Heldenplatz“ hat Helga David in einer szenischen Lesung für ihr kleines, feines Theaterfestival „Spiel im Schloss“ in Reichenau aufbereitet. Bei der Premiere am Sonntag in der geschichtsträchtigen Villa Wartholz erwies sich, wie erstaunlich zeitgemäß dieses Drama 28 Jahre nach der Uraufführung noch immer oder schon wieder ist.

Heute ruft „Heldenplatz“ nicht mehr Empörung hervor, sondern zumindest passagenweise Zustimmung und bittere Heiterkeit. Es ist schon eine sehr reizvolle Konstellation zwischen dem Spielort (das nach Plänen von Heinrich Ferstel erbaute Schloss stand bis 1973 im Eigentum der Familie Habsburg, seit 2001 hat es private Besitzer) und dem Stück, in dem Bernhards gnadenlose Österreichkritik in einer grandiosen Suada kulminiert. Eine Parkbank und ein zum Stehpult umfunktionierter alter Reisekoffer bilden das Bühnenbild. Gelesen werden auch die Regieanweisungen, alle Mitwirkenden treten in Trauerkleidung auf, ganz der Situation nach dem Begräbnis von Professor Schuster angemessen.

Helga David liest - und verkörpert - die kuriose Frau Zittel wunderbar facettenreich (allein ihr plötzliches Auflachen und die boshafte Herablassung gegenüber dem Hausmädchen Herta sind darstellerische Kleinodien) sowie die schweigsame Olga, Irene Colin gibt die Herta und Olgas Schwester Anna mit gebührender Herbheit. Als Robert Schuster wettert Clemens Aap Lindenberg voll grimmiger Inbrunst unter anderem gegen den wiederaufkeimenden Nationalsozialismus, den „ekelerregenden Pseudosozialismus“, der das erst ermögliche, gegen das „katholische Gesindel“ und die Industrie als Drahtzieher allen Übels.

Unumstritten ist heute, dass der oft und gern als Übertreibungskünstler apostrophierte Bernhard mit dem „Heldenplatz“ Literatur- und Theatergeschichte geschrieben hat. Wenn Helga David den Text anschaulich in Erinnerung ruft, ist das nicht zuletzt ein politisches Statement und eine klare Warnung - nicht der pauschalen Schimpfkanonaden wegen, sondern angesichts der hinter allen Verunglimpfungen, Übertreibungen und Verzerrungen nach wie vor höchst unangenehmen Wahrheiten, die sich nicht und nicht in vergnüglichem Erinnerungsoptimismus neutralisieren lassen wollen.

(S E R V I C E - Reichenau, „Spiel im Schloss“, Villa Wartholz: Thomas Bernhard, „Heldenplatz“: Szenische Lesung mit Helga David, Irene Colin und Clemens Aap Lindenberg. Weitere Termine am 21. und 26. August. Tickets und Information: Tel. 0664/3788725.