Die Schwermut und ihre Schwester
Die US-amerikanische Singer-Songwriterin Angel Olsen denkt auf ihrem neuen Album übers Frausein nach.
Innsbruck –Angel Olsen hat ihren Sound weiterentwickelt: vom reduzierten, folkigen „Half Way Home“ (2012) über den rockigeren, düsteren Zweitling „Born Your Fire For No Witness“ hin zu einem aktuell poppigeren Musikentwurf. Für ihren dritten Langspieler „My Woman“ hat sich die US-Amerikanerin von so unterschiedlichen Musikgrößen wie Brian Eno oder Blondie beeinflussen lassen. Im synthieschweren Dream-Pop-Opener „Intern“ zeigt sie sich dieses Mal von ihrer heiter-surrealen Seite. Der erste Teil des Albums ist lauteren Stücken vorbehalten. In „Shut Up Kiss Me“ rumpelt Olsen nun etwa schwungvoll durch eine Beziehungskrise mit anschließenden Erschöpfungszuständen. Für die Videos zu diesen beiden Songs hat sich die Musikerin eine silberne Dolly-Parton-Gedächtnis-Perücke aufgesetzt – eine Hommage an die bewunderte Country-Sängerin.
Auch im ruhigeren, teilweise tieftraurigen zweiten Teil der Platte bleibt Angel Olsens dunkle Stimme stets im Vordergrund. Zwischen Hingabe, Sehnsucht und Autonomie berührt sie in all ihren Facetten. Der Albumtitel und Songs wie das schöne, countrylastige „Sister“ – das ebenso wie „Woman“ beinahe acht Minuten lang ist – machen deutlich, dass sich Olsen mit geschlechterspezifischen Fragen auseinandergesetzt hat. Eine Botschaft hat sie nicht: Freilich habe sie beim Schreiben der Songs bestimmte Bilder im Kopf, doch sie wolle dem Hörer die Freiheit lassen, die Dinge auf seine Art zu interpretieren, wird die 29-Jährige im Pressetext zitiert. Mit ihrem dritten Album hat sie eine berührende musikalische Meditation voll Schmerz, aber auch voll Hoffnung vorgelegt. Im finalen Song „Pops“ fragt Olsen mit entrückter, krächzender Stimme „What is it a heart’s made of?“. Untermalt von den dazugehörigen Pianoklängen denkt wohl auch der Hörer gerne darüber nach. (sire)