Rote Fahne, riesige Rolltreppe: Gipfelsplitter aus Hangzhou
Hangzhou (APA/dpa) - Küsschen für Xi Jinping, eine Geisterstadt als Gipfelort und keine Flugzeugtreppe für den mächtigsten Mann der Welt. Je...
Hangzhou (APA/dpa) - Küsschen für Xi Jinping, eine Geisterstadt als Gipfelort und keine Flugzeugtreppe für den mächtigsten Mann der Welt. Jenseits der staatstragenden Verhandlungen hat der G-20-Gipfel in Hangzhou aber auch lustige, pompöse und ruppige Momente:
ÜBERSCHWÄNGLICHE BEGRÜSSUNG: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sorgt gleich zu Beginn für ein Raunen unter den chinesischen Journalisten. Als Juncker von Präsident Xi Jinping am Sonntag empfangen wird, küsst er den Gastgeber zur Begrüßung im Überschwang auf beide Wangen. In Luxemburg mag das üblich sein, bei der Übertragung ins Medienzentrum löst der den Chinesen unbekannte Mann mit seinem ungewohnten Ritual dagegen Erstaunen und Heiterkeit aus.
DICKE LUFT: Um Smog zu vermeiden, legte China schon eine Woche vor dem Gipfel Fabriken im Umkreis von 300 Kilometern um Hangzhou still. Der Plan ging nur teilweise auf: Die Luft in der Stadt ist besser als üblich, die Feinstaubbelastung liegt trotzdem noch ein vielfaches über dem Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation.
BEIM SULTAN: Eingerahmt von zwei großen türkischen Fahnen sprechen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Rande des Gipfels erstmals wieder miteinander. Nur ein kleines deutsches Fähnchen steht auf dem Tisch, wie ein offizielles Foto der deutschen Bundesregierung zeigt. „Das Bild wirkt, als handle es sich um eine Sühne-Audienz Merkels beim Sultan in Ankara“, schreibt dazu „Die Welt“.
ROLLFELD: Für die US-Delegation beginnt der Gipfel holprig. Als die Air Force One in Hangzhou landet, steht keine Flugzeugtreppe für die Präsidentenmaschine von Barack Obama bereit. Der mächtigste Mann der Welt muss fern von TV-Kameras hinten aus dem Flugzeug steigen. Auf dem Rollfeld kommt es dann zu Rangeleien. US-Journalisten werden rüde aufgefordert, sich zurückzuziehen. Ein chinesischer Offizieller ruft: „Das ist unser Flughafen. Das ist unser Land.“
ROLLTREPPE: Auf ihrem Weg zum Sitzungsraum fahren alle Staats- und Regierungschefs der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie der EU gemeinsam auf einer riesigen Rolltreppe nach oben. Zumindest symbolhaft geht es aufwärts.
ROTE FAHNE: Die meisten Staats- und Regierungschefs werden mit chinesischen Staatskarossen durch Hangzhou gefahren. Besonderes Erkennungszeichen ist die Darstellung einer roten Flagge auf der Kühlerhaube, die der Limousine auch ihren Namen gibt: „Rote Fahne“, oder chinesisch „Hongqi“. Chinesische Staatsgäste werden schon seit Jahrzehnten in dem Luxusschlitten kutschiert. Allerdings boykottiert Obama die Fahrgelegenheit und rollt in der eigenen gepanzerten Limousine an.
LEERE STADT: Eigentlich ist Hangzhou die Heimat von neun Millionen Menschen. Von denen ist während des Gipfels nicht viel zu sehen. Die Straßen sind wie ausgestorben. Die Regierung hat eine Woche Sonderurlaub verordnet und Reisegutschein im Wert von 1,5 Milliarden Dollar verteilt. Ein Drittel der Hangzhouer soll die Stadt verlassen haben.
GROSSE SHOW: Erst gleiten Tänzerinnen über das Wasser, später wird der Himmel über Hangzhou von einem gewaltigen Feuerwerk erleuchtet. Die Staats- und Regierungschefs bekommen ein pompöses Spektakel geboten. „Es war anspruchsvoller als die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele“, lobt der chinesische Regisseur Zhang Yimou das von ihm inszenierte Abendprogramm des Gipfels.