Tirol

Mindestsicherung: Tirol wartet auf Bund, Obergrenze bei Wohnkosten

Die Morgenwanderung der Landesregierung führte auf den Hahnenkamm - unter anderem zum Starthaus der Streif.
© Land Tirol/Berger

Wohin die Reise in Sachen Mindestsicherung gehen soll, ob in Richtung Deckelung oder nicht, ließen Landeshauptmann Platter und LHStv Felipe offen. Fix ist: Tirol werde, was auch immer im Bund ausverhandelt wird, mittragen.

Von Anita Heubacher

Kitzbühel — Bei der Mindestsicherung ist das Ziel noch nicht erreicht. In der Hahnenkammstadt Kitzbühel tagte die schwarz-grüne Landesregierung, erklomm das Starthäuschen und präsentierte gestern im Tal das Ergebnis. Aufs Tempo drücken muss demnach der Bund. Es brauche „dringendst" eine einheitliche Lösung, erklärten LH Günther Platter (ÖVP) und LHStv. Ingrid Felipe (Grüne). Diese werde die schwarz-grüne Landesregierung dann akzeptieren. „Dazu gibt es einen Regierungsbeschluss", erklärte Platter.

Mindestsicherung

Ausgangslage: 15.914 Menschen bezogen 2015 Mindestsicherung. Ein Drittel der Bezieher ist minderjährig. 60 Prozent sind Österreicher. Die Mindestsicherung ist eine Sozialleistung. Anspruch darauf haben Österreicher, Ausländer, die länger als fünf Jahre in Österreich leben und sofort Asylberechtigte bzw. subsidiär Schutzberechtigte.

Höhe: Alleinstehende erhalten mindestens 838 Euro im Monat, Paare mindestens 1257 Euro, Kinder mindestens 151 Euro. Mindestens heißt, die Bundesländer zahlen unterschiedlich viel. In Tirol ist aufgrund der hohen Wohnungskosten die Mindestsicherung hoch. Vater, Mutter, zwei Kinder bekommen in Innsbruck 2247,16 Euro. Die Mietzinsbeihilfe wird in Innsbruck abgezogen, etwaige Familienbeihilfe kommt dazu. Ausbezahlt wird zwölfmal, Sonderzahlungen sind möglich.

Deckelung: Eine Deckelung auf 1500 Euro im Monat würde kinderreiche Familien treffen. Das lehnt bis dato SPÖ-Sozialminister Alois Stöger ab. ÖVP und FPÖ sind dafür, die Grünen dagegen.

Das festzuhalten, schien ihm wichtig. Schließlich könnte das Ziel aus der Sicht von ÖVP und Grün unterschiedlicher nicht sein. Die Bundes-ÖVP und Teile der Landes-ÖVP drängen offensiv auf eine Deckelung der Mindestsicherung für Mehrpersonenhaushalte auf 1500 Euro. Die Grünen sind dagegen. Ob sie eine Deckelung akzeptieren würde, beantwortete Felipe so: Die Umsetzung der Bundesregelung in Gesetzen obliege dem Landtag. Sie sei froh, dass „Tirol mit Sicherheit weiter sozial bleiben wird".

Wie die Tiroler Position bei den Verhandlungen mit dem Bund aussieht, in welche Richtung es gehen soll, ließen Platter und Felipe offen. Sich öffentlich nicht festzulegen, sei „eine kluge Vorgangsweise", meinte Felipe. Unterschiedliche Regelungen auf Länderebene festzulegen, sei verkehrt, meinte Platter. Er sei jedenfalls eng in die derzeitigen Verhandlungen auf Bundesebene involviert. Gemeindeverbandschef Ernst Schöpf (ÖVP) und Wirtschaftsbund-Obmann Franz Hörl hatten zuvor gefordert, die grüne Soziallandesrätin Christine Baur von den Verhandlungen auf Bundesebene abzuziehen. Diese verwies im TT-Interview auf Verhandlungen mit den Sozialreferenten der Länder. Baur hofft, dass Oberösterreich dazu bewegt werden kann, die Deckelung auf 1500 Euro wieder zurückzunehmen.

Einen „Deckel" soll es nach den Plänen der Landesregierung geben. Nämlich eine Obergrenze für Wohnkosten. Der Innsbrucker Stadtsenat hatte ohne die Stadt-Grünen einen entsprechenden Vorstoß gemacht. Aus dem Landesgesetz soll „ortsübliche Mieten" durch eine offiziell definierte Obergrenze ersetzt werden. Innsbrucks Ausgaben im Sozialbudget sind von vier im Jahr 2010 auf acht Millionen Euro gestiegen. Die meisten Mindestsicherungsempfänger leben in Innsbruck. Es brauche Verhandlungen mit der Stadt und dem Gemeindeverband, erklärte Platter gestern. Derzeit gibt es nur Grenzwerte bezogen auf die Quadratmeter, nicht aber bezogen auf die Miethöhe. Weil Wohnen in Tirol teuer ist, ist die Mindestsicherung hoch. Das führe auch zu Sozialtourismus, sagen Kritiker. Die Grünen sehen das anders.

Einig ist sich Schwarz-Grün bei der Kinderbetreuung. Bis 2018 sollen 1500 weitere Betreuungsplätze entstehen. Das Plansoll habe die Landesregierung bereits mehr als erreicht. Die Betreuungsquote bei den unter Dreijährigen sei von 16 auf 29 Prozent gestiegen, erklärte die zuständige Landesrätin Beate Palfrader (ÖVP). 33 Prozent sollen es laut EU-Richtlinie werden.

Derzeit bestehen tirolweit 782 Betreuungseinrichtungen für 28.179 Kinder. Mehr als 3900 Arbeitnehmer sind in den Kindergärten und -krippen sowie Horten beschäftigt. Die Gemeinden würden mehr Geld bekommen, sagt Palfrader. Um die Betreuungsquote voranzutreiben, setzt sie auf eine Werbekampagne.

Baur hofft, dass der 1500-Euro-Deckel fällt

Kitzbühel — Die Mindestsicherung ist ein heißes Eisen zwischen ÖVP und Grünen. Politisch zuständig und damit in Kritik geraten ist Soziallandesrätin Christine Baur von den Grünen.

Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass die Mindestsicherung zur Dauereinrichtung wird, weil Asylberechtigte schwer einen Job finden?

Christine Baur: Ich sehe schon, dass es nicht einfach ist. Aber ich bin überzeugt, dass alle Menschen arbeiten wollen. Arbeit kann einen stabil machen, dazu beitragen, dass man dazugehört. Wir haben zwei Integrationspakete geschnürt, Menschen schnell selbstständig zu machen, ist das Ziel.

Wir reden von Nationalitäten, die oft weit von unserer Interpretation von Arbeitszeit entfernt sind.

Baur: Wir reden aber auch davon, dass wir vor lauter Stress nicht mehr wissen wohin. In Schweden macht niemand Überstunden. Dort wird man gefragt, ob man außer dem Job kein Leben hat. Es gibt immer Menschen, die fleißiger sind als andere. Ich bin, um blauäugig zu sein, zu alt.

Eine vierköpfige Familie bekommt in Innsbruck rund 2500 Euro Mindestsicherung und Kinderbeihilfe. Das ist ohne Job viel.

Baur: Dann müssen wir zu jedem Einkommen die Kinderbeihilfe dazuzählen.

Die Grünen sind gegen eine Deckelung. Glauben Sie, die 1500-Euro-Grenze kommt?

Baur: Bei den Verhandlungen geht es darum, Oberösterreich mit aller Kraft zu bewegen, dass die Deckelung wieder fällt. Wir hatten die Verhandlungen mit dem Bund zur 15a-Vereinbarung politisch abgeschlossen. Dann ist Niederösterreich vorgeprescht und hat gefordert, ab 1500 Euro Geld- in Sachleistungen zu verwandeln. Die Frage ist, wen es trifft, und es trifft immer die Familien und damit die Kinder.

Innsbrucks Bürgermeisterin hat vorgeschlagen, um mehr Sachleistungen gewähren zu können, Wohnungen unter dem Standard von Sozialwohnungen zu bauen.

Baur: Es gibt 5-Euro-Wohnungen, die gewisse Standards haben, wo ich mir das vorstellen kann. Wir brauchen Wohnungen, die geeignet und angemessen sind. Ich halte nichts davon, Menschen gegeneinander auszuspielen. Es ist absurd, in einem so reichen Land wie Österreich eine Debatte um Kürzungen von Sozialleistungen zu führen. Wir können auf diese Errungenschaften stolz sein.

Das Gespräch führte Anita Heubacher