Genetische Eingriffe bei Malariamücken: Diskussion über Auswirkungen
Wien (APA) - Malaria tötet jährlich Hunderttausende Menschen, darum wollen Forscher ihre Überträger, die Anopheles-Stechmücken, genetisch so...
Wien (APA) - Malaria tötet jährlich Hunderttausende Menschen, darum wollen Forscher ihre Überträger, die Anopheles-Stechmücken, genetisch so verändern, dass sie unfruchtbar sind oder keine Erreger weitergeben. Ob es ethisch vertretbar ist, dermaßen stark in die Natur einzugreifen und mögliche Auswirkungen auf die betroffenen Ökosysteme diskutieren Experten Mittwoch an der Medizinischen Universität Wien.
Es gibt zwei Möglichkeiten, die Malariamücken so zu verändern, dass sie die Krankheit nicht mehr übertragen, erklärte der österreichische Biologe Nikolai Windbichler, der am Imperial College in London auf diesem Gebiet arbeitet, der APA: „Entweder man breitet ein neues Gen in der Moskitopopulation aus, das es ihnen verunmöglicht, Malaria zu übertragen“. Die Anzahl der Mücken bliebe gleich, aber Malaria würde eingedämmt. Andererseits könne man Fruchtbarkeitsgene im Mückengenom ausschalten. Dadurch gäbe es weniger Mücken und der Transmissionszyklus der Erreger (Plasmodium falciparum) sei durchbrochen. An beidem würde weltweit schon geforscht.
Das Ganze möglich machte die nobelpreisverdächtige Entwicklung der CRISPR/Cas9 „Genschere“ durch Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna im Jahr 2012. Mithilfe einer als „Gene-Drive“ bekannten Technik könnte man ein manipuliertes Gen rasch in einer ganzen Populationen verbreiten. Es ersetzt dabei mittels CRISPR/Cas9-System selbstständig die zweite Kopie auf dem Schwesternchromosom, bis nach einigen Generationen alle Nachkommen die veränderte Version geerbt haben.
Um damit tatsächlich Malariamücken steril zu machen oder auszurotten, müsse man aber noch einiges lernen, meint Windbichler. „Ich persönlich glaube, dass es mindestens fünf bis zehn Jahre dauern wird, bevor es zu Freisetzungen von ‚Gene-Drive‘-veränderten Organismen kommt“, so der Forscher. Außerdem würden sich in der Natur mit „absoluter Gewissheit“ resistente Mücken bilden, was in Laborpopulationen bereits geschehe. Deshalb müsse man viele Gene gleichzeitig angreifen und stets neue Varianten entwickeln. Die Technik sei mitnichten eine Wunderwaffe, könnte aber gemeinsam etwa mit Impfstoffen und Bett-Mückennetzen sehr wirksam sein.
Obwohl die Malaria durch ihre große Opferzahl einen großen Leidensdruck verursacht - laut WHO erkranken jährlich mehr als 200 Millionen Menschen, 2015 starben davon 600.000, die meisten der Opfer sind Kinder - wirft eine mögliche Ausrottung oder Veränderung ihrer Überträger ethische Fragen auf, so Christiane Druml, Leiterin des UNESCO-Lehrstuhls für Bioethik und des Josephinums an der Medizinischen Universität Wien. Bei so massiven Eingriffen sei es auch unmöglich, das Risiko abzuschätzen.
Weil das Risiko besteht, dass solche Dinge irgendwo auf der Welt einfach durchgeführt werden, wenn sie technisch möglich sind, müsse man das Thema mit Fachleuten aus der ganzen Welt diskutieren und von verschiedensten Seiten beleuchten, erklärte sie der APA. „Wir werden dabei vermutlich nicht gleich eine passende Lösung finden, hoffentlich aber zumindest Verhaltensrichtlinien für die Forscher erarbeiten“, so Druml. Solche Richtlinien seien auch wichtig für Institutionen der Forschungsförderung, wenn sie einschlägige Projekte beurteilen und entscheiden, ob sie für dafür Gelder bereitstellen.
Bei der rasanten Entwicklung der Bio-Techniken sei es generell schwierig, um mit dem öffentlichen- und Fach-Diskurs mitzuhalten. „Dahingehend ist es bei CRISPR beachtlich, wie parallel dazu die ethischen Diskussionen stattfinden“, meint sie.
Auf Einladung des UNESCO-Lehrstuhls für Bioethik an der Meduni diskutieren heute, Mittwoch, Fachleute aus aller Welt im Josephinum die technischen Möglichkeiten, ethischen Implikationen und ökologischen Auswirkungen, wenn man Anapheles-Mücken dauerhaft so verändert, dass sie keine Malaria mehr übertragen können oder aussterben.